Personalmangel: Wie geht es dem Kinderheim Baden-Baden?
Die Zahl der bedürftigen Kinder nimmt immer weiter zu, doch es fehlt an Fachkräften / Die Diakonie Baden schlägt Alarm Sarah GallenbergerBaden-Baden. Andrea Hesch und ihre Mitarbeiter haben einen langen Atem. Anders geht es nicht. Als pädagogische Geschäftsführerin des Kinder- und Jugendheims blickt sie auf die aktuelle Situation. „Es fehlt an allen Ecken und Enden“, und das nicht erst seit gestern.
Flüchtlingskrise, Corona, Nachwehen: Die vergangenen Jahre seien laut Hesch alles andere als einfach gewesen. 2015 und 2016 „war die Not groß“. Sehr viele unbegleitete und minderjährige Flüchtlinge kamen nach Baden-Baden.
Das Kinder- und Jugendheim reagierte mit drei zusätzlichen vollstationären Gruppen. Dabei sei der Mangel an Fachkräften damals schon groß gewesen. Corona habe es nicht gerade vereinfacht.
Hesch sagt: Pro Gruppe mit einer Größe von acht Kindern liegt die Mindestanzahl an Personal bei 3,6 Fachkräften. Wer mehr Personal will, müsse mit dem örtlichen Jugendamt verhandeln.
In Baden-Baden gibt es aktuell 13 vollstationäre Gruppen mit je 4,9 Fachkräften. Doch was sich gut anhört, reicht am Ende auch nicht immer. Denn um ihr Personal aufstocken zu dürfen, muss Hesch ausreichend Gründe vorlegen. Zusätzliche Angebote wie etwa Ferienfreizeiten seien die Basis für Personalverhandlungen. Ja, sie habe 4,9 Fachkräfte pro Gruppe. Ohne die gehe es aber auch nicht. Zusätzliche Angebote benötigen zusätzliches Personal: „Die Verhandlungen werden immer schwieriger.“
Doch Hesch und ihre Mitarbeiter sind nicht alleine. „Die Situation ist in ganz Baden extrem schwierig“, weiß Felix Hechtel. Er leitet bei der Diakonie Baden die Abteilung Familien, Existenzsicherung und soziale Teilhabe. Ein Blick auf die Region reicht, und er kann sagen: „Wir haben enorme Probleme personeller Art.“
Als Ursachen dafür nennt er ebenfalls die Flüchtlingskrise, außerdem auch die Folgen der Pandemie. Seitdem, so Hechtel, befinden sich viel mehr Kinder in Obhut: „Wir haben eine Steigerung von vier bis fünf Prozent.“ Diese Zeiten fordern das Personal. Und von dem gebe es doch ohnehin schon nicht genug.
„25 Prozent der Fachkräfte sind 55 Jahre alt – oder älter“, sagt Hechtel. Das sei ein riesiges Problem, denn Nachwuchs gebe es eher kaum. Das, was da ist, reiche nicht. Gleichzeitig wird die Menge an bedürftigen Kindern nicht weniger. Welche Lösung bleibt am Ende also noch?
Sowohl Hechtel als auch Hesch sagen: Es muss sich dringend etwas ändern. „Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen“, betont der Mitarbeiter der Diakonie Baden. „Aktuell sind die Rahmenbedingungen derart schlecht.“ Als ein Beispiel von vielen nennt er die „Betreuungslücke“: Es gebe viel zu wenig Schichten mit Doppelbesetzung. „Da muss der eine oft länger bleiben und der andere früher kommen.“ Anders gehe es nicht. Weil die Dringlichkeit immer stärker wird, fordern die Betroffenen eine Anpassung des Rahmenvertrags. „Der ist nicht schlecht“, sagt Hesch. „Aber er muss dringend überarbeitet werden.“ In einer Mitteilung schreibt die Diakonie Baden: „Der Fachkräftemangel und die bestehenden Arbeitsbedingungen führen dazu, dass Angebote der Jugendhilfe geschlossen werden.“
Hesch berichtet von einem Positionspapier, das bereits Ende Februar eingereicht worden ist. Darin heißt es unter anderem: „Die Probleme sind bekannt, werden aber nicht wirklich angegangen, weil Politik und Gesellschaft offensichtlich nicht bereit sind, ausreichende Ressourcen für die junge Generation zur Verfügung zu stellen.“
Doch in dem Papier werden nicht nur Probleme beschrieben. Es werden auch Lösungsvorschläge gemacht, wie etwa mehr Möglichkeiten zur Qualifizierung und Einbringung von Nicht-Fachkräften. Hechtel von der Diakonie Baden schlägt außerdem auf Nachfrage dieser Redaktion eine „bessere Finanzierung der Ausbildungsplätze“ vor.
Hesch und ihre Mitarbeiter sind permanent damit beschäftigt, nach Lösungen zu suchen. „Wir haben aber einfach immer mehr bedürftige Kinder.“ Und jedes Kind habe seine eigenen Bedürfnisse. Aktuell könne man in Baden-Baden auf Engpässe durch etwa Krankheitsfälle reagieren. Aber: „Das ist am Ende natürlich nicht immer zugunsten der Kinder.“
„Es muss sich dringend etwas ändern“, betont Hesch. Den Betrieb auf Kosten der Mitarbeiter am Laufen halten, das könne es ja auch nicht sein: „Das tut mir weh. Ich habe auch eine Fürsorgepflicht.“ Am Ende wolle man im Kinder- und Jugendheim doch einfach jedem gerecht werden. Denn Hesch sagt auch: „Wir sind für diese Kinder die Heimat. Das hat doch etwas zu bedeuten.“