Neue Orgel für Auferstehungskirche
Ursprünglich vom Orgelbauer Paul Ott geschaffen. Instrument umfassend restauriert und erweitert. Kirchengemeinde und Gäste genießen den KlangVON HANSPETER WALTER UEBERLINGEN.REDAKTION@SUEDKURIER.DE
Überlingen – Vom „Geist der Welt“ und vom „Geist Gottes“ sprach Oberkirchenrat Matthias Kreplin in seiner Festpredigt zur Einweihung der neuen Orgel in der Auferstehungskirche. Ein Element, in dem der „Geist Gottes“ ganz besonders zum Ausdruck komme und spürbar werde, sei die Musik. Als eindrucksvolles Beispiel, wie die Orgelmusik auf Menschen wirken könne, zitierte Kreplin den Roman und Film „Schlafes Bruder“, in dem Titelheld Elias Alder als höchstbegabter Außenseiter vom Lande die Menschen nach anfänglicher Missachtung zu begeistern weiß.
Am Festgottesdienst nahm nicht nur Oberbürgermeister Jan Zeitler teil. Neben ihm saß Susanne Barnstedt, Tochter von Paul Ott (1903 bis 1991). Der Göttinger Orgelbauer gilt als einer der einflussreichsten Orgelbauer der Nachkriegszeit. Tochter Susanne Barnstedt war eigens zu der feierlichen Erweckung aus Marburg angereist. „Ich freue mich sehr“, sagte sie nach dem Gottesdienst, „dass das Instrument hier wieder zur Geltung kommt.“ Teile ihrer Kindheit habe sie einst neben ihrem Vater auf der Orgelbank zugebracht, erinnerte sie sich. „Ich habe meinen Vater in diesem Instrument wiedererkannt.“ Obwohl sie selbst keine Kirchenmusikerin sei, sagte sie: „Ich bin vom Klang begeistert.“
Restauriert bei Peter Kraul
Dass die Ott-Orgel wieder so erklingt, ist insbesondere Orgelbaumeister Peter Kraul aus Herdwangen-Schwende zu verdanken, der das Instrument vor drei Jahren in seine Obhut genommen hatte und in Abstimmung mit weiteren Fachleuten restaurierte. Bezirkskantor Thomas Rink und Organist Carsten Klomp riefen Orgelbaumeister Kraul nach dem Gottesdienst an das Instrument, um den Beifall von Gemeinde und Gästen entgegenzunehmen. Doch auch der Orgelbaumeister dankte für die gute und konstruktive Zusammenarbeit und „all das, was ich durch dieses Projekt dazulernen durfte“.
Als Leuchtturm für die ganze Region bezeichnet Michael Kaufmann das neue Instrument. „Endlich wieder einmal eine große Orgel, die wir hier stehen haben“, sagte der oberste Kirchenmusiker der Badischen Landeskirche aus Karlsruhe, der die Instandsetzung und die Erweiterung der Orgel aus dem Jahr 1958 eng begleitet hatte und deshalb um deren Qualität weiß.
Michael Kaufmann erklärte: „Diese Kleindenkerei kann ich nicht leiden. Das macht vielleicht auch anderen Gemeinden Mut, so ein Projekt anzugehen.“ Die ganze Klangfülle der nahezu 2500 Orgelpfeifen war schon während des Gottesdienstes zum Ausdruck gekommen, den Carsten Klomp, Professor für künstlerisches und liturgisches Orgelspiel an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg, begleitet hatte. Weitere musikalische Akzente setzte dabei auch Bezirkskantor Thomas Rink mit seinen vokalen und instrumentalen Ensembles.
Anschließend konnten die Gäste nicht nur auf das neue Instrument anstoßen, das elegant in das vor fünf Jahren renovierte und umgebaute Kirchenschiff integriert werden konnte. Bei einem kleinen Apéro-Konzert zur Mittagszeit brachte Kirchenmusiker Kaufmann sowohl die ganze Leichtigkeit als auch die Fülle und Wucht der neuen Orgel zum Ausdruck. Dabei flanierte er von einer barocken Ciaconna Johann Bernhard Bachs von 1700 über Ausschnitte aus Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen über Mozarts Türkischen Marsch bis zu einigen Elementen der „U(n)-Musik“ des zeitgenössischen Komponisten Wolfram Graf, bei denen Kaufmann die Manuale am Ende im Stile eines Rockpianisten bearbeitete. Ganz anders zur Geltung kam das Instrument beim späteren eindrucksvollen Konzert von Carsten Klomp mit dem Freiburger Trompeter Rudolf Mahni, das die Zuhörer regelrecht begeisterte.
Thomas Rink treibende Kraft
Dass die historisch wertvolle Orgel, die zuvor seit einigen Jahren in Münster abgebaut und eingelagert gewesen war, nun in der Überlinger Auferstehungskirche quasi wachgeküsst werden konnte, war vor allem dem aufmerksamen Bezirkskantor Thomas Rink zuzuschreiben.
Rink gelang es auch, Spender, Sponsoren und die Landeskirche selbst für das rund 550.000 Euro teure Projekt zu begeistern. Er konnte zufrieden feststellen: „Die Orgel ist – fast – finanziert.“ Dafür dankten ihm nach dem Festgottesdienst Dekanin Regine Klusmann und Stadtpfarrer Kai Tilgner mit einem süßen Kunstwerk – einem kleinen symbolischen Orgelbild aus Schokolade, das die Konditorei Bergmann in Owingen gezaubert hatte.
Von Münster an den Bodensee
Das Instrument: Bei der neuen Orgel der Überlinger Auferstehungskirche handelt es sich um ein umfassend erneuertes und ausgebautes Instrument aus Münster in Westfalen. Der Orgelbauer Paul Ott (1903 bis 1991) hatte sie 1958 in Göttingen für den großen Hörsaal der Universität Münster gebaut. 1974 wurde das Instrument in die Dominikanerkirche Münster umgesetzt und dort im Januar 2018 wegen Umnutzung des Sakralbaus abgebaut. Im Frühjahr 2020 kaufte die evangelische Kirchengemeinde Überlingen das Instrument und es wurde an den Bodensee transportiert. In der Werkstatt von Peter Kraul in Schwende wurde die Orgel instandgesetzt, angepasst und erweitert. Unter anderem wurde ein drittes Manual integriert.
Der Orgelbaumeister: Paul Ott gilt als einer der führenden Orgelbauer der Nachkriegszeit. Der 1903 in Oberteuringen geborene Schreiner und Orgelbauer (Meisterbrief 1937) gründete 1931 eine Orgelbaufirma in Göttingen. Sie entwickelte sich zur bedeutendsten Orgelbauwerkstatt Norddeutschlands. Das Unternehmen war bis 1980 tätig, es baute neue und reparierte alte Instrumente, heißt es in einer Veröffentlichung der Stiftung Niedersächsisches Wirtschaftsarchiv Wolfenbüttel. In Göttingen sind noch heute drei bedeutende Kirchen (St. Johannis, St. Jacobi und St. Albani) mit Großorgeln von Ott bestückt. Auch in zahlreichen europäischen, amerikanischen und asiatischen Kirchen finden sich Orgeln der Göttinger Firma. (mba)
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