Badische Zeitung Markgräflerland, 27.05.2023

 

Die Kirche kommt ins Rollen

Die Autonummer ist ein Code. FR - JO 1014. Johannesevangelium, Kapitel zehn, Vers 14: Ich kenne meine Schafe und meine Schafe kennen mich und folgen mir. Ein Volltreffer.

HOCHSCHWARZWALD Denn besser könnte man das Projekt Schäferwagenkirche der evangelischen Kirchengemeinde Hinterzarten, Breitnau, Feldberg und Titisee kaum umschreiben. Pfarrerin Ulrike Bruinings hat das Gefährt aus Holz vor wenigen Tagen auf den Hof des Gemeindehauses am Adlerweg gefahren. Seinen ersten großen Auftritt hatte es an Christi Himmelfahrt, da wurde das Fahrzeug im Rahmen des Gottesdiensts geweiht.
Raum ist in der kleinsten Hütte, das gilt auch für die Schäferwagenkirche. Über eine Holztreppe geht es hinein. Der Blick fällt auf ein Kreuz an der gegenüberliegenden Wand. Darunter ein Tisch, links ein Pult. „Unser Chorraum“, sagt Pfarrerin Bruinings und ist schon dabei, den Tisch beiseite zu räumen. Je ein Kasten links und rechts bieten Stauraum und Sitze zugleich, und der Tisch der Länge nach hineingestellt, ist es die Ecke für seelsorgerische Gespräche oder Besprechungen oder einfach zum Innehalten.
Vervollkommnet wird der Raum durch einen Schrank für Decken, Liederbücher und dergleichen, sowie ein Waschbecken, Frischwasserkanister oben im Hängeschrank, Abwasserbox im Schrank unter dem Waschbecken. Schiebefenster lassen Licht herein. Auch einen Stromanschluss hat das Wägelchen – drei Photovoltaik-Elemente auf dem Dach machen es möglich. Auf dem Dach fällt sofort auch der Glockenturm auf – Bruinings lacht, sie muss erst noch herausfinden, mit viel Schwung sie am Seil ziehen darf, damit die Glocke nicht zu sehr scheppert.
Ein anderes Zubehör gefällt ihr auch gut: Wo ein Wohnwagen seinen Staukasten hat, vorn auf der Deichsel, sind 20 Bierbänke einsortiert, das reicht für 80 Sitzgelegenheiten. Denn die rollende Kirche wird nicht Ersatz für eine Kirche im Sinn eines Versammlungsraums sein. Mit ihr fährt man irgendwohin, baut die Bänke im Freien auf und feiert Gottesdienst oder ist gesellig beieinander.
Genau das schwebt Bruinings vor. Sie chauffiert das Fahrzeug in einen ihrer vier Orte, und dann geht’s los. Übrigens: Das Gefährt wiegt 2,1 Tonnen, Doppelachser, aber Bruinings fährt auch einen Wohnwagen, wenn nur 750 Kilo schwer. Rund 1200 Gemeindeglieder sind es, hinzu kommen um 1600 Zweitwohnsitzinhaber. Bruinings denkt aber auch an die vielen Touristen, denen man eine offene Kirche anbieten könnte. Sie ist offen für Trauungen und Taufen – im Kalender steht schon der 9. Juli für ein Tauffest am Titisee, Taufe mit Seewasser. Bruinings hat es andernorts erlebt, dass das eine richtig große Veranstaltung werden kann.
Die Idee für die Schäferwagenkirche entwickelte sich seit dem Verkauf des Gemeindezentrums Falkau 2020. Dort wohnt jetzt eine junge Familie. Die Überlegung im Kirchengemeinderat war, wie man Gemeinde sein will, wo man so verstreut ist – soll man vielleicht einen Bus kaufen und hinausfahren?
Pfarrerin Bruinings, noch frisch im Amt, recherchierte und wurde im fränkischen Altmühltal auf ein Gefährt aufmerksam. Als sie den Vorschlag im eigenen Rat machte, „waren alle begeistert“, erinnert sie sich. Mit Müller Schäfer- und Zirkuswagenbau in Aixheim (Landkreis Tuttlingen) fand sich ein Spezialist, der auch Waldkindergärten herstellt und Tiny-Houses baut. Die rollende Kirche hat 46.000 Euro gekostet. Das sei es wert, findet Bruinings, um Gemeinde zu sein.
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