Pforzheimer Zeitung, 06.05.2023

 

Das riecht nach Mogelpackung

Leserbrief

Hört sich ja gut an, was Dekan Dr. Glimpel da auf den Leserbrief von Herrn Fix geantwortet hat (bis auf die unschönen Invektiven, die unnötigerweise persönlich werden) – der Glaube solle im Vordergrund stehen, vor Ort solle es weiterhin hauptamtliche Ansprechpersonen geben und er – der Dekan – habe den landeskirchlichen Strukturprozess kritisiert. Leider muss man dazu sagen: Die Botschaft hört man, allein, es fehlt – wenn man Reden und Tun vergleicht – dabei (und das – im doppelten Sinne – zu Recht) der Glaube.

Bezeugen des Glaubens an Jesus Christus als das Wichtigste, als zentrales Ziel? Wie passt es dazu, dass die Zielvereinbarung, die bei der Bezirksvisitation verabschiedet wurde (also die Definition dessen, was der Bezirk in den nächsten Jahren anstreben wird), den Glauben als zweitrangig behandelt (und auch inhaltlich keine Idee hat, wie man ihn intensivieren könnte), wie passt dazu, dass die von Herrn Fix kritisierte Überbetonung des „belonging“dort die erste Geige spielt? Das Miteinander von Dekanaten, Bezirken, von„anderen Akteuren“, ja sogar von Landeskirchen kommt zuerst, ist die Haupsache, Stärkung von Bezirksbewusstsein, Intensivierung von Kooperation stehen im Vordergrund, nicht etwa die Stärkung des Glaubens. Und das Versprechen, dass es weiterhin eine hauptamtliche Ansprechperson vor Ort geben soll – kann irgendjemand genau sagen, was dieses Versprechen verspricht? Was ist eine Ansprechperson– tatsächlich, so wie man es wohl denken soll – weiterhin ein Pfarrer? Oder nur ein Diakon oder jemand, der die Gemeinde verwaltet oder...? Worauf könnte man diese Ansprechperson ansprechen? Und vor Ort? Ist das tatsächlich in der Gemeinde – wo die doch durch übergemeindliche Verbände, Kooperationen, Schwerpunkt- oder Profilgemeinden (ohne Ortsbezug) – ja gar Fusionen– abgeschafft werden soll? Spricht nicht der (im übrigen illusionäre, vom Dekan aber vehement vertretene) Versuch, eine Bezirksidentität zu schaffen, gerade gegen die Weiterexistenz der Ortsgemeinde? Das riecht nach Mogelpackung, nach absichtlich diffuser Formulierung, um hinter diesem Begriffsgewaber das tun zu können, was man will: die Auflösung der Ortsgemeinde, das ökonomistische Sparen ohne Sinn und Verstand, dazu Bürokratisierung und Kontrollmanie ohne selbstkritische Analyse der Ursachen der Krise und ohne jeglichen geistlich orientierten Lösungsansatz.

Und der Dekan? Er ist entgegen seiner Selbstdarstellung als Kritiker dieses Vorgehens einer der eifrigsten bei seiner Durchführung (analog zur listig-lustigen Umfrageformulierung zum politischen System: Opposition ist dazu da, um die Regierung zu unterstützen) – bezeichnend seine Nichtbefürwortung eines Antrags auf der Bezirkssynode, der gefordert hatte, die Kooperation der Gemeinden auf freiwilliger Basis zu ermöglichen statt sie (die doch weit mehr Ahnung über die Situation vor Ort und die Sinnhaftigkeit möglicher Zusammenarbeit haben) zur Kooperation zu zwingen, statt ihnen im so genannten „Erprobungsgesetz“ihre Eigenständigkeit zu nehmen, was im übrigen einen eklatanten Verstoß gegen die Grundordnung der Landeskirche darstellt, vom Dekan aber mit keinem Wort als ein solcher kritisiert wird.

Gerhard Drotleff, Keltern