„Wir müssen die Türen öffnen“
Dieter KlinkEvangelische Landeskirche in Baden verstärkt ihren Servicegedanken
Karlsruhe. Friedensbewegt war die Evangelische Landeskirche in Baden schon immer. Dass Soldaten an Schulen Werbung für die Bundeswehr machen sollen, wie es die Stuttgarter CDU-Landtagsfraktion vorschlägt? Für die Evangelische Landeskirche ein Unding. „Eine Werbeveranstaltung fürs Militär in der Schule halte ich für unangemessen“, sagte die evangelische Landesbischöfin Heike Springhart am Donnerstag bei der Frühjahrstagung der Synode. Gleichwohl sei es wichtig, mit Schülerinnen und Schülern über Krieg, Frieden und Sicherheit zu diskutieren. Synodalpräsident Axel Wermke pflichtet ihr bei: Wenn die Bundeswehr ihr Angebot an Schulen vorstelle, dann nur als eines unter vielen. „Dann müssen sich auch andere Anbieter von Freiwilligendiensten im sozialen oder ökologischen Bereich vorstellen dürfen und alle Bereiche aufzeigen, in denen man sich gesellschaftlich einbringen kann.“
Die Synode, das Parlament der Landeskirche, befasste sich von Montag bis Donnerstag auch mit der eigenen Kirchenentwicklung. Springhart trat ihr Amt vor etwa einem Jahr an, als erste Bischöfin in Baden. Sie löste Jochen Cornelius-Bundschuh ab, der vorzeitig in den Ruhestand ging. Die innerkirchlichen Baustellen bleiben: Der nächste Doppelhaushalt 2024/25, den man im Herbst beschließen will, wird Sparmaßnahmen erforderlich machen, weil die Zahl der Kirchenmitglieder auch in Baden zurückgeht, als Folge der Demografie und der nachlassenden Kirchenbindung. Hinzu kommen Faktoren von außen: Der unlängst in Freiburg vorgestellte Abschlussbericht zum Umgang mit sexueller Gewalt in der Katholischen Kirche beschäftigt auch die Protestanten in Baden. „Die Erkenntnisse aus Freiburg haben uns erschüttert“, sagt Springhart dazu. Auch die Evangelische Kirche stelle sich dem Thema. Derzeit laufe eine Studie zum Umgang mit sexualisierter Gewalt auf bundesweiter Kirchenebene, die voraussichtlich im Herbst veröffentlicht werden soll. Auf Ebene der Landeskirche erstelle eine Wissenschaftlerin derzeit eine exemplarische Fallstudie.
Zusammen mit der Landeskirche der Pfalz hat man aber 2022 ein Forum für Betroffene abgehalten. „Die Wucht der Wut angesichts des jahrelangen Versagens von Diakonie und Kirche“ mit Blick auf das „Menschen in unterschiedlichen Kontexten zugefügte Leid war massiv“, so Springhart in ihrem Bericht vor der Synode. Nun gelte es, die Betroffenen und nicht mehr die Institutionen in den Mittelpunkt zu stellen. „Wir setzen alles daran, dass Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, bei uns offene Ohren und Herzen finden, dass unsere Verfahren verbessert werden und Aufarbeitung in aller Klarheit erfolgt“. Man müsse das Leid der Betroffenen anerkennen, auch finanziell.
Die Synode hat sich auch mit Trauungen, Taufen und Beerdigungen befasst. Hier will man mehr auf die Menschen zugehen. Im Mittelpunkt soll der Servicegedanke stehen. Wenn etwa jemand an einem anderen Ort als dem Heimatort heiraten oder ein Kind taufen lassen möchte, soll das künftig unbürokratischer möglich sein. Zuständig ist dann die Wunsch-Kirchengemeinde, in der man sich meldet. Ein Anruf genügt, den Rest übernimmt das dortige Pfarrbüro und klärt alles weitere ab. Formalien wie sogenannte Entlassscheine – Bestätigungen, die gebraucht werden, um etwa in einer fremden Gemeinde heiraten zu können – sollen entfallen. „Die Menschen müssen nicht in unser Schema passen, sondern wir machen unsere Türen auf“, erläuterte Springhart den Perspektivwechsel. In anderen Landeskirchen sei man da schon weiter, Baden ziehe da nur nach.
Auch in Sachen Klimaschutz packt die Landeskirche ehrgeizige Ziele an. Bis 2040 will man klimaneutral werden, dazu beschloss die Synode ein eigenes Klimaschutzgesetz. Grundsätzlich sollen kirchliche Gebäude nicht mehr mit fossiler Energie beheizt werden. Die Gebäudefrage erweist sich als besonders virulent. Schon beschlossen hat die Landeskirche, dass man sich von vielen Gebäuden trennen will. 30 Prozent der Gebäude erhalten künftig landeskirchliche Finanzierung, 30 Prozent erhalten sie nicht, bei 40 Prozent wird noch geprüft, in welche Richtung sie kippen. Das bedeutet: Von den bisher 2.100 Gebäuden will sich die Landeskirche langfristig von bis zu jedem zweiten trennen – oder aber man findet vor Ort neue Finanzquellen oder Mitnutzer. Derzeit wird das in den einzelnen Kirchenbezirken vor Ort geprüft. Dabei gebe es bereits Beispiele von Mischfinanzierung und erweiterten Nutzungskonzepten, heißt es, wie etwa dass ein Orchester in Kirchenräumen probt oder eine Kirche in einem Stadtteilzentrum gemeinsam mit Seniorenheim und Kita untergebracht ist. „Die Gebäude, die uns bleiben, müssen bis 2040 jedenfalls klimaneutral sein“, erläutert der landeskirchliche Umweltbeauftragte André Witthöft-Mühlmann. Bei den Sakralbauten sei das nicht so schwierig. Man setze auf „körpernahe Erwärmung“. Das bedeutet: Nicht der ganze Raum wird beheizt, sondern da die Kirche oft nur punktuell für Gottesdienste genutzt wird, sollen Sitzbankauflagen genügen.