Lob und Preis für Lüpertz’ Reise ins Licht
Wolfgang Voigt und Pascal SchüttMit Vernissage und Festakt startet Zyklus „Genesis“ sein Dasein an den U-Bahn-Haltestellen
Karlsruhe. Am Ende bekundet Markus Lüpertz seine „Zuneigung zu dieser Stadt“. Er bekennt die Wichtigkeit, die der Zyklus „Genesis“ für ihn habe und dankt jenen, die Geld gegeben haben „ohne zuvor überhaupt etwas gesehen zu haben“. Applaus brandet auf in der Evangelischen Stadtkirche von Karlsruhe. Die Feierstunde rund um die „Genesis“ atmet den Geist des Epochalen. Sie folgte am Freitagabend auf die rauschende Vernissage, die in der vorangegangenen Nacht über die Bühne gegangen war. Seit Freitag sind die 14 Reliefs in den sieben U-Bahn-Stationen von Karlsruhe enthüllt. Fahrgäste und Kunstfreunde können sie nun auf sich wirken lassen. Ohne den Einsatz öffentlichen Geldes sind sie unter den Händen des 82-jährigen Künstlers entstanden. Sowohl der Vernissage, als auch dem Festakt wohnten Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Ehefrau Soyeon Schröder-Kim bei. Schröder ist mit Lüpertz befreundet; beide teilen die Leidenschaft für das Skat-Spiel.
„Hell ist der heutige Tag, denn die Schöpfung ist vollendet“, ruft Projekt-Promotor Anton Goll beim Festakt aus und preist den Keramik-Zyklus als weiteren Leuchtturm für Karlsruhe. Er erkennt in den 14 einzelnen Reliefs neben vielen anderen Aspekten auch ein Plädoyer für die Bewahrung der Schöpfung. Damit seien auch ganz junge Menschen Adressaten der Arbeit von „Welt-Künstler“ Markus Lüpertz, wie Goll euphorisch erklärt.
Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup spricht von einem „wunderbaren Angebot für sieben Jahre“. Zunächst für diesen Zeitraum werden die Reliefs gezeigt. Sie befinden sich im Eigentum des Vereins „Karlsruhe Kunst erfahren“, den Goll gegründet hat.
Der Altertumswissenschaftler Raimund Wünsche bescheinigt dem Genesis-Zyklus von Lüpertz Zeitlosigkeit und Qualität. Der Urheber schneide die großen existenziellen Themen an und lade sie mit seinen künstlerischen Mitteln auf. Zuvor hatten der katholische und der evangelische Dekan von Karlsruhe, Hubert Streckert und Thomas Schalla, die Mammut-Arbeit gewürdigt und theologisch wie gesellschaftlich eingeordnet. „Genesis ist Kunst geworden in Karlsruhe“, erklärte Streckert.
Der Festakt markierte den feierlichen Höhepunkt einer „Reise ins Licht“, als die der Schöpfer der keramischen Werke selbst den Zyklus beschreibt. Für Markus Lüpertz sind U-Bahn-Tunnel und Genesis ihrem Wesen nach verwandt: in beiden Fällen geht es durchs Dunkel in die Helligkeit.
Ausführlich hatte sich der 82-Jährige bereits anlässlich der rauschenden Vernissage in der Haltestation am Marktplatz während der Nacht zum Freitag geäußert. Bei der Gestaltung der 14 einzelnen Reliefs bezog sich Lüpertz nach eigenem Bekunden auf das Gilgamesch-Epos, auf Dantes Göttliche Komödie und auf ganz viel eigene Intuition zum unerschöpflichen Thema der Genesis. Was genau die Botschaft seiner Ar-beit sei? „Die Kunst“, antwortet der Meister auf die Frage eines TV-Journalisten.
Mit viel Lokalprominenz und Brezeln in Tüten war die nächtliche Enthüllung der Arbeiten über die Bühne gegangen. Eigens dafür hatten die Verkehrsbetriebe den regulären Bahn-Fahrplan unterbrochen.
Statt dem üblichen Stadtbahn-Klientel sah man Menschen mit Sakkos, raffinierten Kleidern und edlen Hüten in der zentralen Haltestelle wandeln. „Wer sonst in die Galerie geht, muss nun Straßenbahn fahren“, sagte Anton Goll hörbar stolz und mit einer Spur Selbstironie. Der Gründer des Vereins „Karlsruhe Kunst erfahren“ und ehemalige Majolika-Geschäftsführer hat die Haltestellen-Kunst mit viel Überzeugungskraft gegen einige Widerstände durchgeboxt.
Nur wenige hatten Goll das zugetraut, als er die Idee vor Jahren präsentierte. „Sie haben manchmal eine anstrengende Art, Gegenargumente zu ignorieren“, bescheinigte ihm Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) respektvoll in seiner Rede zur Vernissage. „Aber Sie haben es geschafft.“ Ebenfalls geschafft hat es Markus Lüpertz. In monatelanger Knochenarbeit hat der Künstler 20 Tonnen Ton in Zell am Harmersbach geformt. Er sei „die ganze Zeit drauf rumgekrochen“, lässt der Herr in extravagantem Mantel, Hemd mit Vatermörder-Kragen, Gehstock und Hut wissen. Begonnen hatte er in der Majolika Manufaktur.
Die so entstandene Genesis-Reihe werde „in die Kunstgeschichte eingehen“, ist Anton Goll überzeugt. Spricht er über Lüpertz, wird er zum Fan. Oft nennt er ihn nur den „Meister“. Der habe für Karlsruhe etwas geschaffen, das „gesehen, verstanden und geschätzt“ werde.
Am späten Donnerstagabend ist das noch mehr Prognose als Wahrnehmung. An den Haltestellen schützen Planen die Keramiken teilweise seit mehr als einem Jahr vor neugierigen Blicken. Kurz vor Mitternacht fallen für geladene Gäste die Hüllen. Und am Freitag herrscht bereits eine Art gefühlte Normalität. Fahrgäste hasten an den Ton-Werken vorüber, als hingen die schon seit Jahren.
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