Mannheimer Morgen Stadtausgabe, 22.04.2023

 

Lauter Ruf nach mehr Geld

Gesundheit: Bessere finanzielle Unterstützung für die Suchtberatungsstellen im Land – das fordert jetzt ein Aktionsbündnis

Von Susanne Lohse

Renchen/Heidelberg. Mehr Geld für die Suchtberatungsstellen im Land – das fordert ein Aktionsbündnis aus Sucht- und sozialen Beratungsstellen, das am Freitag an die Öffentlichkeit ging. Die Nachfrage nach Suchtberatung habe durch die Corona-Pandemie zugenommen.

Die Drogen- und Suchtberatungsstellen in Baden-Württemberg schlagen Alarm. Sie beklagen explodierende Kosten und fordern eine Erhöhung der Landeszuschüsse. Andernfalls sei die Suchtberatung nicht mehr finanzierbar, sagte Oliver Kaiser vom Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation in Renchen (Ortenaukreis) gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Zuschüsse lange nicht erhöht

Die Suchtberatung in Baden-Württemberg wird gemeinschaftlich von Kommunen, Landkreisen und dem Land finanziert. Das Land habe seine Zuschüsse seit 20 Jahren nicht erhöht, kritisiert Geschäftsführer Kaiser. Vor allem die steigenden Personalkosten belasteten die Kassen.

Es drohten Entlassungen und die Streichung vor allem niederschwelliger Angebote: Kontaktläden, Safer-Use-Angebote wie Spritzentausch oder die Arbeit von Streetworkern. In Drogenkliniken gebe es bereits lange Wartelisten, weiß der langjährige Suchtberatungs-Experte.

Die Nachfrage nach einer Suchtberatung ist unvermindert hoch. Das geht aus der jüngsten Suchthilfestatistik der Landesstelle für Suchtfragen Baden-Württemberg hervor. Danach nahmen im Jahr 2021 insgesamt 61 871 Betroffene eine der landesweit 102 Suchtberatungsstellen in Anspruch.

Mit 179 Drogentoten im Jahr 2022 erreichte Baden-Württemberg nach vielen Jahren einen Höchststand. Seit Ende der 1990er-Jahre sei die Zahl der Toten durch Drogenkonsum rückläufig gewesen, sagte Kaiser. Die Steigerung um rund 30 Prozent gegenüber 2021 führt er auf die Isolation während der Corona-Lockdowns zurück. „Corona hat viele aus der Bahn geworfen“, so Kaiser.

Die mangelnde Finanzierung der Suchtberatungsstellen stößt auf breite Kritik. Am Freitag hat das Aktionsbündnis „Suchtberatung retten“ bei einem Medientermin in Heidelberg zu landesweiten Aktionen aufgerufen. Dem Bündnis haben sich 119 Suchtberatungsstellen und andere soziale Organisationen angeschlossen, darunter die Diakonie Baden und mehrere Diakonieverbände in Württemberg. Ziel sei es, die Finanzierung der Suchtberatung im Land verlässlich zu sichern, so Kaiser, der Mitinitiator des Bündnisses ist. „Wir fordern konkret, den Landeszuschuss im Nachtragshaushalt für Fachkräfte auf 25 000 Euro zu erhöhen“, sagte er. Für rund 480 Stellen landesweit wären das im Haushaltsjahr 2023/24 rund 3,4 Millionen Euro.

Unverständnis herrscht bei den Einrichtungen über die Gesundheitspolitik. Mit der geplanten Cannabisregulierung etwa komme zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben Präventionsarbeit „on top“, so Kaiser. Die Suchtpolitik sei für ihn „nicht nachvollziehbar“, sagte er.

Laut einer Studie aus Bayern von 2022 hat die ambulante Suchtberatung einen messbaren volkswirtschaftlichen Nutzen. Laut der Studie spart jeder in Suchtberatung investierte Euro gesellschaftliche Folgekosten von 17 Euro. „Wir müssen die unverzichtbaren und wirksamen Angebote der ambulanten Suchtberatung nicht nur erhalten, sondern weiterentwickeln und zukunftsweisend aufstellen“, kommentierte der bayrische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) die Ergebnisse der Studie. epd