Rhein-Neckar-Zeitung - Heidelberger Nachrichten, 15.04.2023

 

Wo Bäume mit Gott und der Welt sprechen

Fotografien „Sprechende Bäume“ von Fritz Müller im Salem-Krankenhaus – Seelsorgerin Hannak entwickelte Idee zur Ausstellung

Von Marion Gottlob

Welche Fotografien passen zu einer Kapelle im Krankenhaus? Klinikseelsorgerin Sabine Hannak fand für das Salem-Krankenhaus in Handschuhsheim eine passende Lösung: zwölf Baum-Fotos von Fritz Müller. Seine Fotos sind nun rund um die Kapelle im Dachgeschoss der Klinik zu sehen.

Die Bilder laden zum Nachdenken ein. Die Bäume spiegeln auf berührende Weise Leid und Hoffnung, Traurigkeit und Trost, Angst und Zuversicht. „Das sind Themen, die für Menschen im Kontext eines Krankenhauses von Bedeutung sind, und mit der Ausstellung steht nun ein weiteres, seelsorgerliches Angebot zur Salutogenese unserer Patienten bereit.“ Das sieht der ärztlicher Direktor Prof. Karl Heinz Weiss ganz ähnlich: „Die Fotos berühren die Gefühle. Hier kann jeder ein Lieblingsbild finden.“

Der 85 Jahre alte Künstler Fritz Müller stammt aus Berlin. Zunächst erlernte er schon mit 13 Jahren den Beruf des Elektrikers. Danach begann er in West-Berlin eine Fortbildung zum Ingenieur auf der Abendschule. Doch dann wurde ihm klar: „Das ist es nicht.“ Er interessierte sich mehr für Theologie und wechselte auf die Predigerschule. So wurde er Pfarrer und Künstler. Seit einem halben Jahrhundert stellt er seine Bilder aus.

Als er vor langer Zeit vier Wochen an der Ostsee in Kur war, entdeckte er den Zauber des Darsser Holzes. Er fotografierte Bäume über Bäume. Zurück in Ost-Berlin entwickelte er die Fotos und gestaltete eine Ausstellung. Die Besucher waren begeistert. Anschließend kam ihm der Gedanke: Wie wäre es, wenn er die Bäume „belauschen“ würde, während sie zu Gott sprechen? So wurde Müller zum „Bäume-Flüsterer“ und fügte den Fotos Texte hinzu. Er sagt: „Die Leute schrieben die Texte ab.“ In den DDR-Krankenhäusern gab es Leporellos mit den Baum-Fotos und originellen Texten.

Nach der Wende zeigte der Diakonie-Verlag Interesse an diesen Arbeiten. Für das Buch „Herr, mein Gott, Gespräche mit dem Schöpfer“ wurde die Sammlung von zwölf auf 16 Fotos erweitert, die Texte wurden etwas sanfter. Mit Hilfe seiner Frau Renata Fandré zeigte Fritz Müller dann seine Präsentation in ganz Deutschland, aber auch in Tschechien, Polen und in der Schweiz.

Als Pfarrerin Hannak eine Fortbildung besuchte, erhielt sie von Renata Fandré das Angebot zur Übernachtung. Die Frauen unterhielten sich, während Ehemann Fritz Müller schwieg. Als das Gespräch auf das Thema Bäume kam, schwärmte Hannak von dem Bäume-Buch, das sie kannte. Die Überraschung war perfekt, als Müller das Buch aus dem Regal zog und sich als Autor und Fotograf zu erkennen gab.

Wieder in Heidelberg, entwickelte Hannak die Idee, wie diese Bilder ausgestellt werden könnten. Hannak sprach das Künstler-Ehepaar Susanna und Bernhard Lutzenberger an, das die Salem-Kapelle entworfen hatte. So schufen die Künstler aus zwölf Fotos aus dem Buch großformatige Bilder. Auch rang Hannak mit Müller um eine Anpassung der Texte an die heutige Zeit. Sie sollten gerade Menschen im Krankenhaus ansprechen und gleichzeitig ihren spirituellen Charakter beibehalten.

Die Fotos lassen die Betrachter innehalten. Man sieht einen Baum inmitten eines Unwetters, ein anderer Baum hält einer Überschwemmung stand, der nächste Baum wurde vom Blitz getroffen. Ein Foto zeigt einen starken Baum, der von fremden Ranken fast erstickt wird. Pfarrer Schärr aus dem Vorstand der Evangelischen Stadtmission Heidelberg sagt: „Menschen im Krankenhaus erleben häufig existenzielle Situationen. Diese Fotos laden zur Reflexion und Biografiearbeit ein.“

Pfarrerin Hannak konnte Unterstützer gewinnen, mit deren Hilfe sie die Finanzierung stemmte. Darunter sind beispielsweise die Friedens- und die Johannesgemeinde, die Evangelische Landeskirche Baden sowie zwei Lions-Clubs. Pfarrer Schärr dankte der Pfarrerin für ihren Einsatz, dem Künstler wie auch den Sponsoren.

Info: Die Ausstellung im Salem-Krankenhaus, Zeppelinstraße 11-33, ist zu den Besuchszeiten des Krankenhauses zugänglich. Information zu Besuchszeiten und Corona-Regeln online unter www.krankenhaus-salem.de.