Rhein-Neckar-Zeitung - Heidelberger Nachrichten, 08.04.2023

 

Besinnlicher Karfreitag am Friedenskreuz

Ökumenischer Gottesdienst für Geflüchtete in Kirchheim – Bei Verkehrslärm erinnerten die Teilnehmer an die Kreuzigung Jesu

Von Joris Ufer

Mit einem ökumenischen Gottesdienst haben Seelsorgende und Geflüchtete aus dem Patrick-Henry-Village (PHV) am Karfreitag der Kreuzigung Jesu gedacht. Menschen aus acht Ländern sangen und beteten gemeinsam vor dem Kirchheimer Friedenskreuz und lasen die Passionsgeschichte in mehreren Sprachen. Für viele Teilnehmer hatte die Andacht auch einen persönlichen Bezug.

Rund 25 Menschen laufen in der Prozession mit, die sich über Felder und eine Fußgängerbrücke auf das Friedenskreuz an der B 535 zubewegt. Vorneweg gehen im wehenden weißen Talar der katholische Gemeindereferent Jochen Winter und ganz in Schwarz die evangelische Pfarrerin Sigrid Zweygart-Pérez. Beide arbeiten als Seelsorger im Patrick-Henry-Village und wollen den Karfreitag gemeinsam mit Geflüchteten aus acht verschiedenen Ländern begehen. „Momentan sind nicht so viele Christen im PHV wie in den letzten Jahren“, sagt Zweygart-Pérez, vor dem zwei Meter hohen Kreuz angekommen. „Aber die, die jetzt hier sind – das sind genau die richtigen.“

Zur dritten Stunde soll der Gottessohn laut Markusevangelium gekreuzigt worden sein und so beginnt auch dieser Karfreitagsgottesdienst pünktlich um 15 Uhr. „Kommen Sie ein bisschen näher“, sagt Gemeindereferent Winter auf Englisch. „Damit wir einander auch hören können.“ Rechts neben ihm donnern Autos, Motorräder und Lastwagen über die Bundesstraße. Die Umstehenden scheint das wenig zu stören. Trotz des Verkehrslärms lauschen sie andächtig, als ein Mann aus ihrer Runde mit leiser Stimme Halleluja singt. Die Passionsgeschichte wird mehrsprachig verlesen: auf Deutsch, Englisch und mittels Übersetzer auch auf Farsi.

Auf dem Berg Golgatha bei Jerusalem soll Jesus Christus laut biblischer Überlieferung gekreuzigt worden sein. Um daran zu erinnern, holen Zweygart-Pérez und Winter lange Nägel, einen Hammer sowie Dornenkronen aus Stacheldraht hervor, von denen jeder Teilnehmer des Gottesdienstes eine erhält. Die restlichen Gegenstände legen sie auf die bunt bemalte Decke, die sie vor sich im Gras ausgebreitet haben. Hungersnöte, Kriege und Naturkatastrophen sind darauf künstlerisch dargestellt. „Die Geschichte, die wir gerade gehört haben, ist 2000 Jahre alt“, erklärt Winter. „Aber jeder hier hat auch seine eigene Geschichte mit Leid und Unterdrückung erlebt.“ Auf kleinen Zetteln können die Anwesenden ihre Gebete und Sorgen niederschreiben und an die Stacheln der Dornenkronen heften. „Mit den Verletzungen, die wir haben, müssen wir leben“, sagt Pfarrerin Zweygart-Pérez. „Aber im Gebet haben wir auch einen Ort, an den wir uns wenden können.“

Als der Gottesdienst nach einer Dreiviertelstunde endet, gehen viele der Geflüchteten noch einmal zu Pfarrerin und Gemeindereferent, um sich zu bedanken. Für Sam Ngae war es ein Nachmittag, der ihm Kraft gegeben hat. Im Februar ist der 48-Jährige aus Gambia ins Patrick-Henry-Village gekommen. „In meiner Heimat sind wir an diesem Tag auch immer zusammengekommen“, erklärt er. „Das hier hat mir geholfen, mich ein wenig wie zu Hause zu fühlen.“ Schon 2019 haben Zweygart-Pérez und Winter zum ersten Mal einen Gottesdienst an dieser Stelle gefeiert. Ökumene ist für das eingespielte Seelsorgeteam eine Selbstverständlichkeit. Auch den Ostermontag wollen sie hier mit Geflüchteten begehen – trotz des Lärms der Bundesstraße. „Es ist toll, dass dieser Ort vom Patrick-Henry-Village fußläufig zu erreichen ist“, bekräftigt Zweygart-Pérez. „Dieses Friedenskreuz ist einfach ein starkes und wichtiges Symbol.“