Badische Zeitung Ortenau, 08.04.2023

 

„Dem Elend ins Auge schauen und solidarisch sein“

In ihren Osterbotschaften thematisieren die Offenburger Seelsorger auch die schweren Themen der Zeit. Sie rufen dazu auf, sich den Seiten des Lebens zu stellen, die nicht gelungen sind.

Offenburg Ostern, das größte christliche Fest, gibt es nicht ohne Karfreitag. Die Offenburger Seelsorger Jutta Wellhöner und Matthias Bürkle ermuntern dazu die „Wunden des Lebens“ in der Auferstehungsfreude nicht auszuklammern.
Ostern sei nicht ein heiter beschwingtes Halleluja-Singen und Ostereiersuchen, sondern umfasse das ganze Leben, wie es persönlich, aber auch in Gesellschaft und in der Welt erlebt werde. Karfreitag und Ostern gehören unabdingbar zusammen.
Nach der Trauer des Karfreitags gelte es, nicht einfach nur erleichtert nach vorne zu schauen, sondern sich auch den Fragen des Lebens zu stellen, die nicht gelungen sind. Was die letzten Jahre geprägt habe, seien die Coronazeit mit Verlusten in den eigenen Familien, mit Krankheiten wie Long Covid, dazu der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen, auch den höheren Preisen und den Energieversorgungsproblemen, das Erdbeben in der Grenzregion von Syrien und der Türkei und das große Thema Klimawandel. „Das alles gehöre mit dazu wenn wir 2023 Ostern feiern“, so der katholische Dekan Matthias Bürkle. „Wenn wir in die Ostertexte hineinschauen sehen wir, dass nicht von einem Strahlemann die Rede ist, sondern dass der Auferstandene auch an seinen Wunden erkennbar ist, wie man im Evangelium vom Apostel Thomas nachlesen kann.“ Auch mit seinen Wunden werde Christus als derjenige erfahren, der in einer neuen Welt da sei und lebe.


Bürkle klammert auch nicht die aktuellen Wunden nicht, die vor allem jungen Menschen durch Vertreterinnen und Vertreter der Kirche zugefügt wurden und die oft nach vielen Jahren immer wieder aufbrechen. Jetzt stehe am 18.April die Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für die Erzdiözese Freiburg im Raum. Auch aus diesem Anlass würden bei Betroffenen wieder alte Wunden unvorstellbare Schmerzen auslösen. Dennoch habe er ein ganz starkes Vertrauen, dass die Kirche aus der Vergangenheit lernen werde. Dass sie gerade auch durch die Feier der Tage des Leidens und der Auferstehung ihres Herrn von ihm die Kraft erhalten werde, nicht wegzuschauen, wo es Gewalt und Verbrechen gebe und anders damit umzugehen, als in der Vergangenheit.


Auch die evangelische leitende Pfarrerin Jutta Wellhöner betont, die Ostergeschichte sei nicht die Verharmlosung von Leid und Tod. Wenn die Karfreitags-Ruhe ausgehöhlt würde, sei das auch ein kultureller Verlust. Auch die Ostergeschichten der Bibel seien geprägt vom vergangenen Leid und der Trauer und gingen wenig euphorisch mit dem Ostergeschehen um. Es komme nicht umgehend zum Glauben und zum fröhlichen Akzeptieren „Jesus lebt“. Zunächst sei Zurückhaltung da, sogar von Furcht und Schrecken werde erzählt. Erst mit der Zeit komme es bei den Menschen an, dass Gott gewirkt habe und das Wunder der Auferstehung geschehen sei. Als solches bleibe es völlig unverfügbar und werde von daher auch nicht beschrieben, so die Theologin. „Erzählt wird, was Menschen sehen, wie sie sich der neuen Wirklichkeit annähern. Das ist ein Stückweit auch hilfreich und exemplarisch dafür, wie wir damit umgehen können.“


Wichtig sei ihr, den Zusammenhang zwischen Karfreitag – auch der Grabesruhe am Samstag – und dem Ostersonntag zu betrachten. Im Glaubensbekenntnis werde ausgedrückt, dass Christus in das Reich des Todes hinabgestiegen sei. Es gebe also keinen Ort, den Christus nicht erreichen könne, nichts sei ausgeschlossen von Gottes Herrschaft. Dann erst käme die befreiende frohe Botschaft der Auferstehung. An Ostern werde die Hoffnungsperspektive deutlich und eine gewisse „Hoffnungssturheit“, von der auch die evangelische Landesbischöfin in Baden, Heike Springhart, gerne spreche. Es gehe darum dem Elend dieser Welt und der persönlichen Situation ins Auge zu blicken, genau hinzuschauen, sich dem zu stellen und solidarisch zu sein. Damit mache man sich zum Anwalt von Ungerechtigkeit und Leid tragenden Menschen. Trotz allem und dennoch dem Leiden etwas entgegenzustellen im Vertrauen auf Gott, der den Tod durch den Tod überwunden habe, das mache die Ostererfahrung aus.