Schwetzinger Zeitung, 06.04.2023

 

Begleitung für den letzten Weg

Der Umgang mit Trauer und dem Tod ist ein Thema , das in unserer Gesellschaft nach wie vor schwerfällt. Dabei löst diese Endlichkeit Gefühle aus, die nicht jeder einzusortieren vermag. Trauerbegleiter können dabei helfen. Gundula Sprenger, Doris Eckel-Weingärtner und Tatjana Hartmann-Odemer erklären, warum diese Menschen so wichtig sind.

Ein Fortbildungskurs in der Volkshochschule widmet sich dem Umgang mit Tod und Trauer. Er findet in Kooperation mit der Evangelischen Erwachsenenbildung Rhein-Neckar-Süd statt und startet am Mittwoch, 26. April. Die Fortbildung richtet sich an Menschen, die haupt- und/oder ehrenamtlich in der Seelsorge tätig sind und Trauernden in einer schweren Zeit zur Seite stehen möchten, an Menschen, die in der Leitung von Trauer- und Hospizgruppen engagiert sind, im Kranken- oder Pflegebereich mit Trauernden in Kontakt sind und ihre Kompetenzen hier erweitern wollen. Die Fortbildung richtet sich auch an Menschen, die vielleicht als Kollegen oder Familienangehörige hilfreich zur Seite stehen möchten oder die häufig Gespräche mit Trauernden führen, wie dies zum Beispiel bei Bestattern der Fall ist. Trauer ist etwas Schmerzhaftes und kann unerwartete Gefühle wie Wut, Schuld, Depression oder Verlassenheit auslösen.

Die eigene emotionale Betroffenheit, mangelnde Erfahrung oder fehlendes Wissen tragen häufig dazu bei, dass viele Menschen im Umgang mit Trauernden stark verunsichert sind. Auch wenn man gerne trösten möchte, fühlt man sich oft hilflos. Dieser Kurs zeigt Wege auf, wie Trauerbegleitende trauernden Menschen professionell zur Seite stehen können. Darüber sprach unsere Zeitung mit Gundula Sprenger, Leiterin der Volkshochschule, mit Doris Eckel-Weingärtner, Leiterin der Evangelischen Erwachsenenbildung Rhein-Neckar-Süd, und mit der Dozentin Tatjana Hartmann-Odemer, Systemische Beraterin und Coach.

Wie kam es zu der Idee, einen Kurs mit dem Schwerpunkt Trauerbegleitung anzubieten?

Tatjana Hartmann-Odemer: Weil ich selbst seit 2010 Sterbe- und Trauerbegleitung mache, merke ich, dass die Trauernden immer mehr werden. Da viele Familien nicht mehr zusammen mit Angehörigen leben, haben sie keine Ansprechpartner für die Trauer und sind auf externe Beratung angewiesen. Die heutige Gesellschaft hat es verlernt, auf Menschen zuzugehen, umso wichtiger werden Trauerbegleiter. Dieser Fortbildungskurs kann den Teilnehmern ein hohes Maß an Kompetenz vermitteln.

Gundula Sprenger: Das ist ein wichtiger Lehrgang, um den es geht. Das Besondere daran ist, dass er zum ersten Mal hier, im Bezirk Schwetzingen, stattfindet. Mit der Evangelischen Erwachsenenbildung Rhein-Neckar-Süd kooperiert die Volkshochschule schon seit vielen Jahren, einerseits im spirituellen sowie philosophischen Bereich, andererseits auch im Bereich Hospiz, Trauerbegleitung, letzte Hilfe …
Doris Eckel-Weingärtner: … wie es dieser Kurs zeigt, der für Menschen gedacht ist, die Trauernde begleiten, aber auch ihr Wissen, ihren Horizont erweitern möchten.

Wer sind eigentlich die Trauerbegleiter?

Hartmann-Odemer: Das sind ganz oft Menschen, die ehrenamtlich arbeiten, sie kommen aus allen Bevölkerungsschichten …
Sprenger: … und haben meistens selbst Trauererfahrung gemacht. Sie sind so zur Einsicht gekommen, wie wichtig es ist, dass man in der Trauer jemand zur Seite hat.

Hartmann-Odemer: Teilweise sind es auch Menschen aus unterschiedlichen Unternehmen, die oft mit Trauerfällen wie Verlust des Partners oder Fehlgeburten konfrontiert werden und ihnen in solchen Situationen gerne zur Seite stünden. Bei meinem letzten Kurs waren auch Bestatter dabei, die oft Trauerbegleitung leisten, obwohl sie gar nicht dafür geschult sind. Hier können sie ihre Kompetenzen für diese Gespräche erwerben oder ausbauen.

Ist Trauerbegleitung notwendig?

Hartmann-Odemer: Mit Sicherheit ist es nicht für jeden notwendig, denn es gibt auch Menschen, die gut mit der Trauer umgehen können. Ein großer Teil jedoch hat keine eigenen Ressourcen, die Trauer zu überwinden, und ist auf Unterstützung angewiesen. Bei Trauernden macht es zudem einen Unterschied, ob ein Angehöriger im hohen Alter stirbt oder unerwartet aus dem Leben gerissen wird. In solchen Fällen ist die Trauer oft unüberwindbar, gut ausgebildete Trauerbegleiter sind hier von großem Nutzen.

Sprenger: Viele Menschen verdrängen auch die Trauer, deren Folgen sich Jahre später bemerkbar machen. Bei alten Menschen zum Beispiel, die im Krieg ihren Vater verloren haben, kommt erst jetzt die nicht verarbeitete Trauer hoch. Eine professionelle Trauerbegleitung, die die einzelnen Phasen der Trauer kennt, ist deshalb unglaublich wichtig.

Eckel-Weingärtner: Auch außerhalb der Hospiz gibt es viele Menschen, die betroffen sind, wie zum Beispiel Flüchtlinge aus der Ukraine oder aus anderen Kriegen. Aktuell betroffen sind auch hier lebende Angehörige von Menschen aus den Erdbebengebieten wie Syrien und der Türkei. Viele haben geliebte Menschen oder ihr ganzes Hab und Gut verloren.

Was vermittelt der Kurs den Trauerbegleitenden?

Hartmann-Odemer: Es wird vermittelt, was Trauer eigentlich ist, was sie in den Menschen bewirkt und welche Traueraufgaben Trauernde bewältigen müssen. Aber auch soziale sowie weitere Fachkompetenzen wie Kommunikation werden vermittelt, grundsätzliches Verständnis für die Trauernden, Gruppentrauerarbeit, Einzelgespräche. Insbesondere soll den Trauerbegleitern für ihre spätere Arbeit deutlich gemacht werden, dass Trauer keine Krankheit ist, sondern ein Prozess, es darf getrauert und geweint werden. Solche Hintergrundkenntnisse sind wichtig, um bei der Trauerbewältigung helfen zu können.

Eckel-Weingärtner: Wir leben in einer Gesellschaft, in der Tod und Trauer keinen Platz haben. Wenn wir dann plötzlich damit konfrontiert werden, fühlen wir uns hilflos. Deshalb sind gut ausgebildete Trauerbegleiter hilfreich. So ein Fortbildungskurs hilft den Teilnehmenden selbst und den betroffenen Menschen, die sie begleiten.

Gibt es in der Trauer Unterschiede zu früher?

Hartmann-Odemer: Auf jeden Fall. Früher hatten die Menschen ein entspannteres Verhältnis zum Tod, man begegnete ihm mit Ritualen wie den Leichenschmaus, bei dem es vorrangig darum ging, im Gedenken an den Verstorbenen zusammen zu sein. Schon an der Kleidung hat man den Menschen damals angesehen, dass sie in Trauer sind. Die Erfahrung des Todes und wie Angehörige damit umgehen, hat sich heute komplett verändert, die meisten Menschen sterben fern von zu Hause, im Krankenhaus oder Pflegeheim.

Eckel-Weingärtner: In der CoronaZeit war es für viele Angehörige sehr schwer, wenn sie sich nicht von ihren Angehörigen verabschieden konnten. Sprenger: Das stimmt. In Gesprächen sagten mir Betroffene: „Das Schlimmste war, dass ich nicht dabei sein durfte.“

Trauerbegleiter sind fast täglich mit Tod, Trauer und Schmerz konfrontiert. Was motiviert Sie, diese Arbeit zu machen?

Eckel-Weingärtner: Die Motivation könnte eigene Trauererfahrung sein und der Wunsch, einen heilsamen Umgang mit der Trauer zu lernen.

Sprenger: Das sehe ich bei den Hospizhelfern, die bei ihren Treffen sehr fröhlich sind und viel lachen. Eben weil sie der Vergänglichkeit des Lebens bewusst sind, raten sie, die Schönheit des Lebens zu genießen sowie die Freude am Zusammensein.

Hartmann-Odemer: Viele der selbst Betroffenen, die sich für Trauerbegleitung entscheiden, finden durch die intensive Auseinandersetzung und Verarbeitung der Trauer einen guten Umgang mit dem Thema, auch mit eigener Trauer und stellen damit eine große Hilfe für Trauernde dar. Es ist nicht die Schwere des Themas, das überwiegt, sondern das Erfahren von Sinnhaftigkeit im Tun.

Zum Schluss die Frage: Inwiefern hilft die Trauerbegleitung den Trauernden, ihre Trauer zu bewältigen?

Hartmann-Odemer: Sie entwickeln ein Verständnis dafür, dass ihre Emotionen gesund und normal sind und auch sein dürfen. Sprenger: Trauerbewältigung ist ein aktiver Part zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und notwendig für eine gesunde Gesellschaft.

Eckel-Weingärtner: Sich mit diesem Thema zu beschäftigen, eine Ausbildung zu machen und sich für andere zu engagieren, wenn es notwendig ist, hilft einen selbst, das Leben neu zu entdecken.