Wertheimer Zeitung, 05.04.2023

 

Netzwerker und Trostspender

Christian Kopp: Bayerns neuer Landesbischof will nach seiner knappen Wahl wieder zusammenführen - Selbst Schicksalsschlag zu verkraften

Von dpa-Mitarbeiterin ELKE RICHTER

MÜNCHEN. Nach der Anspannung der vergangenen Tage kann Christian Kopp den Ausgang des Wahlkrimis in der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern noch gar nicht fassen. »Du bist in irgendeinem Film und weißt nicht ganz genau: War es der, den du dir eigentlich ausgesucht hast? Es ist wirklich total unwirklich«, sagte der designierte Landesbischof der Deutschen Presse-Agentur nach seiner Wahl in München. »Es hätte jeder von uns vieren werden können. Da geht man durch alles Mögliche an Gefühlen.«

Nicht nur Kopp und die Mitglieder der Synode werden sich noch lange an die zurückliegenden Tage erinnern. Auch in die Geschichte der Landeskirche wird die 150. Tagung der Landessynode mit der Wahl des achten Landesbischofs eingehen. Denn zum ersten Mal stand das »Kirchenparlament« vor der Situation, nach den laut Kirchenrecht vorgesehenen sechs Wahlgängen ohne einen neuen Landesbischof oder eine neue Landesbischöfin dazustehen. Wie damit umgehen?

Hitzige Diskussionen

Es folgten hitzige Diskussionen, Probeabstimmungen und stundenlange Beratungen bis spät in die Nacht hinein. Denn das Kirchenrecht ließ nur zwei Möglichkeiten zu: Entweder eine völlige Neuauflage des kompletten Wahlverfahrens mit einer Sondersynode für die Neuwahl im Herbst. Oder höchstens zwei weitere Wahlgänge mit maximal zwei Kandidaten im Laufe der noch bis diesen Freitag andauernden Tagung. Auf dem Wahlzettel, das war relativ schnell klar, würden in diesem Fall Kopp und seine stärkste Mitbewerberin, die Landshuter Dekanin Nina Lubomierski (47), stehen. Beide waren im fünften und sechsten Wahlgang nahezu gleich stark gewesen. Der Wahlvorbereitungsausschuss fürchtete, dass diese Pattsituation bei weiteren Wahlgängen nicht aufgelöst werden könnte, und sprach sich deshalb für eine Neuwahl im Herbst aus, um Schaden von der Kirche und den Kandidaten abzuwenden.

Doch die Synodalen wollten Klarheit. Als dann »Christian Kopp: 56 Stimmen« durch die Münchner Markuskirche hallte, ertönte zunächst ein vielstimmiges Raunen. Kopp hatte hauchdünn die erforderliche absolute Mehrheit erreicht. Doch nach einer kurzen Stille brach der Applaus aus. »Es geht nicht nur mir so, dass man das erstmal begreifen muss«, kommentierte Kopp die gesamte Situation.

»Der kann das«

Der 58-Jährige betonte in seiner Dankesrede: »Jetzt geht es darum, dass wir wieder zusammenfinden.« Das sah auch der scheidende Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm so. »Ich weiß, die Nerven waren manchmal zum Platzen gespannt. Und ich bin mir auch dessen bewusst, dass bei all diesen Gesprächen auch Wunden bleiben, und dass es jetzt auch solche Wunden zu heilen gilt«, sagte er an die Synodalen gerichtet. Aber er zeigte sich - just an seinem 63. Geburtstag - zuversichtlich, dass das unter Kopps Führung gelingen werde: »Der kann das, gerade mit solchen Wunden umgehen.«

Zumal Trost ein Kernthema Kopps ist. »Der Mensch braucht Trost. Es gibt wunderbare Zeiten im Leben, da braucht man weniger Trost, aber es gibt auch ganz harte Zeiten«, betonte er. »Und sehr, sehr viele Menschen haben in den vergangenen drei Jahren sehr, sehr viele schlimme Dinge erlebt.« Kopp denkt dabei besonders an die Kinder und Jugendlichen, bei denen Träume geplatzt seien, die sich nie wieder nachholen ließen. Aber auch an die alten Menschen etwa in den Heimen, deren Zeit sich dem Ende zuneigt, und an alle anderen, die besondere Belastungen verkraften mussten.

»Es braucht ganz viel Trost, das ist für mich ein zentraler kirchlicher Auftrag«, betonte Kopp. Kopp weiß dabei, wovon er spricht: Vor zwei Jahren mussten er und seine Frau Julia Rittner-Kopp, die ebenfalls Pfarrerin ist, den Suizid ihres erwachsenen Sohnes verkraften.

»Sehr viel Respekt« habe er vor seinen neuen Aufgaben, räumt Kopp ein. Bange ist dem 58-Jährigen, der voraussichtlich vor Ablaufen der zehnjährigen Amtszeit in den Ruhestand gehen wird und privat gerne die Berge und Kulturveranstaltungen genießt, aber nicht. »Was ich jetzt gemacht habe, ist nicht so sehr viel anders als das, was ich in Zukunft mache - nur dass der Verantwortungskreis sehr viel größer wird.«

Kein »Solo-Worker«

Doch er sei ohnehin kein »Solo-Worker«: Als eines von vier Geschwistern in einer sehr großen Familie war Kopp nach eigenem Bekunden »niemals anders als in einem Netzwerk unterwegs, und das macht mir Spaß. Gemeinsam geht viel mehr, als wenn man was alleine macht.« Kirche sei eine Netzwerkorganisation, »und das wird auch mich tragen durch diese Leitungsfunktion, das ist mein ganz, ganz fester Glaube«.

Diese Kraft wird Kopp brauchen können, denn die Herausforderungen sind groß: Der Kirche schwinden Mitglieder, Pfarrkräfte und finanzielle Mittel, dennoch soll sie ausstrahlungsstark und attraktiv bleiben. Die zunehmende Distanz der Menschen zur Kirche sowie der demografische Wandel haben bereits dazu geführt, dass der Landeskirche Ende 2022 nur noch 2,14 Millionen Mitglieder angehörten - im Jahr 2011 waren es noch rund 2,53 Millionen gewesen.

Dennoch zeigt sich Kopp zuversichtlich: »Lösungen lauern überall, wenn wir Schranken niederreißen und Dinge aus dem Weg räumen«, sagte er. »Lasst uns viel ausprobieren!«