Hassprediger eröffnen Filiale in Pforzheim
„Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ verbreitet Schwulenhass und Antisemitismus
Von Daniel StreibKarlsruhe/Pforzheim – Das Kirchengebäude wirkt profan: ein Bürohaus an einer belebten Straßenkreuzung in der Pforzheimer Innenstadt. An einer Tür im ersten Stock steht „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ geschrieben, dazu Schlagworte wie „altmodisch“ und „fundamental“ sowie „harte Predigten“.
In dem Ladenlokal residiert der erste deutsche Ableger einer berüchtigten US-Sekte, die als stramm antisemitisch gilt und Homosexuellen den Tod wünscht.
Was mit „harten Predigten“ gemeint ist, kann Anselm Urban erklären. Am Telefon stellt er sich als Prediger der Pforzheimer Kirche vor. Urban wurde unlängst wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann, den Tod wünschte.
Auf Nachfrage sagt der Prediger in sachlichem Tonfall: „Meine Aussage war: Sven Lehmann, Schwuchtel, stirb!“ Lehmann, der auch Staatssekretär im Familienministerium ist, hatte Urban angezeigt. Auf Anfrage wollte sich der Grünen-Politiker aber nicht mehr zu dem Fall äußern.
Anselm Urban ist 25 Jahre alt und im sächsischen Görlitz aufgewachsen. Zunächst hatte er beruflich mit Software zu tun. Dann begeisterte er sich für die Lehren von Steven Anderson, einem radikalen US-Prediger und Gründer der „Faithful Word Baptist Church“ in Arizona, dessen Ableger-Gemeinde die Pforzheimer Kirche ist. Urban wird von Anderson gefördert. Auf einem Video ist zu sehen, wie der Amerikaner den jungen Sachsen zum „Repräsentanten in Deutschland“ erklärt.
Kirchengründer Anderson spricht fließend deutsch. Seine deutschstämmige Frau, mit der er mehr als zehn Kinder hat, lernte er einst in München kennen. Der 42-Jährige verfügt über ein offenes Lächeln und menschenverachtende Ansichten. Letztere verbreitete er häufiger bei Auftritten beim rechtsradikalen Portal „Infowars“ des Moderators Alex Jones – eines wegen Falschaussagen verurteilten Verschwörungspropagandisten.
Anderson betete Berichten zufolge öffentlich für den Tod des US-Präsidenten Barack Obama. Er soll die 130 Todesopfer der Bataclan-Anschläge von Paris als „Teufelsanbeter“ verhöhnt haben. Und nach einem queer-feindlichen Amoklauf in einen Nachtclub in Orlando, Florida, befand er demnach, es sei gut, dass es „50 Pädophile weniger auf dieser Welt“ gebe.
Dem nicht genug, gilt Anderson als stramm antisemitisch. Kritikern zufolge produzierte er eine Reihe von Videos, in denen der Holocaust geleugnet wird. Seine erste deutsche Ablegerkirche residiert nun also in Pforzheim in Sichtweite des „Platzes der Synagoge“. Prediger Urban sagt am Telefon, er lebe derzeit in Arizona, wo er bei der Kirche angestellt sei. Neben dem Aufbau der Aktivitäten in Deutschland gehöre unter anderem Social Media zu seinen Aufgaben. Die Gemeinde in Pforzheim führe er mit Online-Predigten.
Warum fiel die Wahl auf Pforzheim? Urban erklärt: „Pforzheim ist für uns relativ empfänglich. Es gibt viele Menschen, die wir für unseren Glauben begeistern konnten.“ Deshalb habe man sich für Pforzheim als Basis entschieden. Zu den Hauptaktivitäten der Gemeinde gehöre das „Seelengewinnen“, wie die Sekte ihre Missionierungsversuche nennt.
Und woher kommt der Hass auf Queere – also auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen? In der Bibel stehe geschrieben, dass Sodomiter sterben müssen, sagt Urban kühl. Seine Kirche fühle sich nun einmal dem ursprünglichen Wortlaut der Heiligen Schrift verpflichtet. Das gelte auch für viele andere Themen. Dann betont er, dass er jegliche Selbstjustiz ablehne. Es sei Sache des Staates, die Todesstrafe für Schwule einzuführen. Hat er keine Angst, dass seine Hass-Predigten andere zu Gewalt aufstacheln? Urban widerspricht: „Ich sehe mich da null in der Verantwortung.“
Erste Politiker und Kirchenvertreter haben bereits reagiert. Christiane Quincke, Dekanin der evangelischen Kirche Pforzheim, will die „Anschuldigungen und Todeswünsche gegen queere Menschen“ nicht hinnehmen. Die Dekanin informierte den Antisemitismusbeauftragten des Landes und erstattete zudem Strafanzeige.
Urban beruf sich derweil auf die vom Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit. Jeden Sonntag finde ein Gottesdienst statt, sagt er. „Dazu ist jeder Interessierte eingeladen“, wirbt der Prediger und stellt sogleich klar: „Das gilt natürlich nicht für Schwule.“
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