Badische Zeitung Elztal, 10.03.2023

 

„Nichts muss bleiben, wie es ist“

Der Strukturwandel in der evangelischen Kirche nimmt Konturen an. So sind nun sieben Kooperationsräume gebildet worden, auf die sich die 27 Pfarr- und Kirchengemeinden aufteilen.

Kreis EMMENDINGEN Nichts muss bleiben, wie es ist, so wird Landesbischöfin Heike Springhart in der jüngsten Pressemitteilung der badischen Landeskirche zitiert, die die rückläufigen Mitgliederzahlen in der evangelischen Landeskirche zum Inhalt hat. Tatsächlich ist bereits nichts, wie es war: 1165 Kircheneintritten standen im vergangenen Jahr 22.149 Kirchenaustritten gegenüber, im Vorjahr waren es 16.890 Menschen, die der Kirche den Rücken kehrten. „Zusammen mit den Zu- und Wegzügen sowie den Todesfällen hat die Landeskirche damit im vergangenen Jahr 27.218 Kirchenmitglieder verloren“, heißt es im Schreiben weiter.
Das ist dann schon etwas, das Emmendingens Dekan Rüdiger Schulze berührt: „Das sind die Zahlen für nur ein Jahr. Es wundert mich einfach, wenn wir auf der einen Seite aus der Bevölkerung die Bestätigung bekommen, wie wichtig unsere Arbeit ist. Und auf der anderen Seite treten so viele Menschen aus der Kirche aus. Das schmälert unsere Basis und fehlt uns menschlich wie auch wirtschaftlich.“ Keno Heyenga, Pfarrer in Weisweil und für die Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenbezirk Emmendingen zuständig, beobachtet, „dass es in aller Regel junge Menschen sind, die austreten, deren Schwerpunkt vermutlich momentan darin liegt, im Beruf Fuß zu fassen. Sie finden noch nicht die Zeit, sich mit Kirche auseinanderzusetzen.“
KooperationsräumeSich auf die inneren Quellen besinnen und frei denken, dazu ermutigt Landesbischöfin Springhart in dem Schreiben weiter. So lässt sich auch der Strukturwandel umschreiben, in dem sich die evangelische Kirche derzeit befindet: Im evangelischen Kirchenbezirk Emmendingen sind sieben Kooperationsräume entstanden, in denen sich die 27 Pfarr- und Kirchengemeinden neu ordnen. „Zwar befinden sich die Kooperationsräume derzeit in der informellen Beratungsschleife, sind rechtlich also noch nicht bindend“, so Dekan Schulze. Bereits 2020 habe man in den Gremien mit diesen Kooperationen begonnen. „Inhaltlich arbeiten wir also schon zusammen. Nicht alle Gemeinden müssen alles machen, Arbeitsteilung ist in vielen Bereichen sinnvoll. Wichtig ist aber, dass es für jede Gemeinde verlässliche Ansprechpartner gibt“, so Schulze.
GebäudeampelDie Bildung der Kooperationsräume beinhaltet auch eine Neubewertung der Gebäude. „Anhand einer Gebäudeampel haben wir die Immobilien sortiert und entscheiden nun, was mit ihnen passiert“, sagt Schulze. Auf grün stehen derzeit 35 Häuser, für sie stehen weiterhin zentrale Mittel von der Landeskirche zur Verfügung, um sie beispielsweise zu sanieren. „Voraussetzung ist allerdings, dass die jeweilige Kirchengemeinde den Eigenanteil von 50 Prozent erbringen kann“, sagt Schulze. Auf Gelb stehen die Häuser, über deren Zukunft gesprochen werden muss. Hier geht es um die Frage, ob es für sie noch Bedarf gibt. Falls ja, ob das Geld für den Betrieb oder eine mögliche Renovierung vorhanden ist oder auch, ob weitere Mittel aus anderen Quellen zur Verfügung stehen. Derzeit werden diese Fragen für elf Gebäude geklärt.
Für die Immobilien, die auf Rot stehen, gibt es keine zentralen Mittel von der Landeskirche mehr. „Davon betroffen sind 19 Immobilien. Das heißt, will man davon ein Haus sanieren, müsste die betreffende Gemeinde das zu 100 Prozent aus eigenen Mitteln finanzieren“, sagt der Dekan. Es sei jedoch nicht so, dass bei allem, was auf Rot stehe, sofort der Bagger komme. Nach wie vor findet in den Gebäuden noch Gemeindeleben statt. Aber es sei an der Zeit, über Ersatz oder Alternativen nachzudenken. „Nach Möglichkeit in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Wichtig war, einen Zeitkorridor festzulegen“, sagt der Dekan. Er nennt als Beispiel das Gemeindehaus in Nimburg, das mittlerweile etwa 60 Jahre alt sei und sehr hohe Investitionskosten nach sich ziehe. „Das ist mit 700 Quadratmetern Hausfläche auch sehr zukunftsoptimistisch gebaut worden. Wenn ich sehe, unser Pfarrhaus in Weisweil bietet mit 230 Quadratmetern genügend Platz“, zieht Heyenga einen Vergleich. „Die Kirche auf dem Berg in Nimburg steht hingegen auf der grünen Liste, genauso wie die Bergkirche in Bahlingen und die Kirche in Malterdingen, beide, weil sie ortsbildprägend sind,“ so der Dekan.
Unter Gelb geführt wird hingegen das Paulus-Gemeindezentrum in Emmendingen. „Da können wir sagen, dass es noch 15 bis 20 Jahre bis zum Ende seines Lebenszyklus hat“, so Schulze weiter. „Wir haben uns bei all den Überlegungen immer für die Fläche entschieden, also die Frage, welche Ausweichmöglichkeit haben wir, wenn wir ein Haus auf Rot stellen“, nennt Keno Heyenga einen Aspekt der Überlegungen, die nun zur Beratung zurück in den Gemeinden sind. Die Rückmeldungen stehen noch aus.
StellenkürzungenWas die Stellenkürzungen bis 2026 betrifft, fällt die Diakonstelle in Mundingen weg und jeweils ein Pfarrstellenäquivalent in Denzlingen und im Elztal. „Pfarrstellenäquivalent beschreibt dabei die rechnerische Größe. Das entspricht in etwa einer 1,5-Diakonstelle“, erklärt Schulze. Die nächsten Kürzungen greifen erst 2032. Dann geht es um zwei weitere Stellen und 2036 nochmals drei sowie eine Diakonstelle. „Womit wir uns 2036 dann, was das Verhältnis Gemeindemitglied zu Hauptamtliche betrifft, bei einer Größenordnung befinden, wie wir sie zuletzt 2002 hatten“, berücksichtigt Schulze den demographischen Wandel.
Trotz Kürzungen möchte die evangelische Kirche gewährleisten, dass es auch dort, wo kein Pfarrer wohnt, einen Ansprechpartner gibt. „Im Bleichtal haben wir den Fall ja bereits. Dort kümmerst sich ein Pfarrer um drei Gemeinden und das klappt wunderbar“, sagt Schulze. Heyenga sieht für die Zukunft neben der engagierten Mitarbeit der Ehrenamtlichen auch die Wiederentdeckung der kleinen Formate: „Damit haben wir zu Corona-Zeiten gute Erfahrungen gemacht und profitieren nun davon.“ Auch seien neue Formate entstanden, Schulze denkt etwa an den Jugendgottesdienst „Prezi – Predigt, Pizza, Spezi“ in Waldkirch-Kollnau, der immer am letzten Sonntag im Monat von 18.45 bis 21 Uhr in der Kirche oder dem Gemeindehaus stattfindet: „Das ist ja das Schöne an einer Volkskirche, dass alle Getauften zum Zeugnis und Dienst ge- und berufen sind.“