Religiosität in dreidimensionaler Form
Musik und Licht waren aufeinander abgestimmt bei der Einweihung der evangelischen Stadtkirche. Das Konzept geht auf.
EMMENDINGEN Ein halbes Jahr lang war die evangelische Stadtkirche wegen der Erneuerung der Elektrotechnik und des Einbaus des neuen Beleuchtungskonzepts geschlossen. Nun wurde sie mit klangvoller Abendmusik eingeweiht.
Das LichtDas Licht komme von oben und unten, sei widersprüchlich, komplex, schwer zu fassen, sagt Pfarrerin Irene Leicht. Und es spiele eine theologische Rolle – vom biblischen Motto „Es werde Licht“ bis hin zu „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte“. Ganz fertig war es bei der Einweihung nicht. „Es ist wie im richtigen Leben. Wir werden nicht fertig, niemals“, so Leicht . Die Mikrofonanlage funktionierte noch nicht, es fehlen einige Leuchtelemente. Dunkel war es nicht, als die Feier begann. Doch das Motto passte, denn in der gut besuchten Kirche, die anfangs nur vom trüben Tageslicht und Kerzen am Altar erhellt wurde, kamen nach und nach die Lichter hinzu– am Schluss erstrahlte der Kirchenraum so hell wie noch nie.
Musik und Akteure Wie fröhliches Vogelgezwitscher mit feinem gesanglichem Echo klang die „Englische Nachtigall“ von Jakob van Eyck, bezaubernd gespielt von Margret Görner. Görner leitet die private Musikschule Musikwerkstatt Baden-Baden, hat das Ensemble L’Art du Bois mitgegründet. In der Stadtkirche ist sie häufiger Gast. Wie auch die Sängerin, Musikerin und Musikpädagogin Pascal Jonczyk, deren glockenklare Altstimme sicher und mit großer Klarheit die Arien und Rezitative der beiden Telemann-Kantaten erklingen ließ. Die beiden ergänzten einander perfekt, die Flöte tanzte in den Kantaten förmlich zum raumfüllenden Gesang vom Licht. Jörn Bartels, seit fast 20 Jahren Bezirkskantor im Kirchenbezirk Emmendingen, begleitete an der Truhenorgel ebenso einfühlsam wie lebendig, wie er es auch am Klavier beim „Nunc Dimittis“ der Sängerin und Gemeindeliedern tat.
Der ArchitektDie lange Bau- und noch längere Planungszeit von viereinhalb Jahren relativierte Architekt Robert Roloff mit Blick auf das Alter der Kirche. Der Chorraum stammt aus dem 15. Jahrhundert, das klassizistische Kirchenschiff von 1810. Überraschungen seien bei den Arbeiten in alten Gebäuden die Regel. Eine Kirche sei nicht einfach nur eine Hülle, sondern Religiosität in dreidimensionaler Form. Die Beleuchtung sei kein Selbstzweck, es gebe nur individuelle Lösungen; der Umgang mit der Steuerung via Tablet müsse alle Nutzer mitnehmen. Doch sieht er die Kirche mit dem neuen Licht langfristig gut aufgestellt, auch für Online-Gottesdienste und Beamer-Einsatz. Und selbst für Photovoltaik auf dem Dach seien die Voraussetzungen geschaffen. Laut Dekan Rüdiger Schulze prüfe die Landeskirche 2023/2024 alle Gebäude darauf hin.
Die ReaktionenDer Dekan gratulierte der Kirchengemeinde zu der wunderbaren neuen Beleuchtung, es lägen Welten zwischen der alten und neuen. Das stimmt und die Reaktionen sind überwiegend positiv. „Eine sehr schöne Kirche und so hell“, sagt beispielsweise Frauke von Troschke, Uwe Schlottermüller schließt sich dem an. Der ehemalige Bezirkskantor Fritz Leimenstoll findet sofort Zustimmung für seinen Wunsch, die Orgel müsse lichttechnisch stärker hervorgehoben werden. Eli Schweflinghaus sind die Pendelleuchten im Kirchenschiff zu grell. „Da muss man ja mit Schildkappe in die Kirche gehen“, sagt sie. Lichtdesigner Bernhard Mahler weist darauf hin, dass diese Leuchten nie durchgängig auf 100 Prozent laufen sollten; sie seien dafür da, dass man in der Kirche gut lesen könne, so sein Konzept. Ansonsten empfiehlt der Konstanzer eine Dimmung auf 30 Prozent: „Bei zu viel Licht verliert die Kirche an Plastizität.“
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