suedkurier.de, 20.01.2023

 

Vom Gotteshaus zum Kulturtempel: Christuskirche wird zur großen Bühne der Kammermusik

Der ehemalige Gemeindesaal ist inzwischen das Studio des Kammerorchesters der „Süddeutschen Camerata“. Der Musiker Milos Stankovic aus Villingen verbindet klassische Musik mit digitalen Musik-Projekten.

Milos Stankovic liebt den Schwarzwald. Die Landschaft erinnert den Musiker an seine Heimat in Serbien. Er fühlt sich verbunden mit den Menschen, die hier leben. „Der Schwarzwald war immer erfinderisch,“ erklärt er. In seinem Leben und in seiner künstlerischen Arbeit spielt der Schwarzwald die Hauptrolle.

Jetzt macht der Künstler die einstige evangelische Christuskirche in Unterkirnach zum Zentrum der digitalen Innovation im Bereich der klassischen Musik. Die Kirche wurde bis 2020 von der evangelischen Gemeinde Villingen als Gotteshaus für Unterkirnach genutzt, bis sie unter den Sparvorgaben der evangelischen Landeskirche aufgegeben wurde.

Die Kirche samt Grundstück soll eigentlich verkauft werden, auch die Gemeinde hat Interesse. Doch die Verhandlungen und Entscheidungsprozesse ziehen sich hin. Daher hat die Kirchengemeinde die Christuskirche erst einmal zwischenvermietet.

Auf diese Weise wurde das Gotteshaus vor einigen Wochen zum Kulturtempel. Denn im ehemaligen Gemeindesaal befindet sich das Studio der Süddeutschen Camerata. Milos Stankovic ist der Gründer der Formation, die aus Mitgliedern verschiedener renommierter Orchester besteht. Seit zwei Jahren realisieren sie gemeinsam Konzerte.

Nächstes Konzert wird vorbereitet

Neben seiner Tätigkeit als Bratschist und Lehrkraft für Violine und Viola bereitet Milos Stankovic gerade sein nächstes Projekt vor. Am 28. Januar spielt das Circolo Quartett in der Christuskirche in Unterkirnach. Das vom Programm „Neustart Kultur“ – das Rettungspaket der Bundesregierung während der Corona-Pandemie für den Kultur- und Medienbereich – geförderte Projekt ist die zweite Live- und Online-Veranstaltung der Süddeutschen Camerata.

Weltweites Publikum kennt Unterkirnach

Das Besondere daran: Die Mitglieder der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz spielen nicht nur vor den Zuhörern in der kleinen Kirche im Schwarzwald, sondern gleichzeitig im Internet vor weltweitem Publikum. Der Gemeindesaal der Christuskirche wird zum Cloud-Podium – und Unterkirnach zur großen Bühne der Kammermusik. „Ein großer Teil unseres Publikums ist nicht aus Deutschland,“ erklärt Milos Stankovic. „Aber sie kennen Unterkirnach.“

Der bestens vernetzte Bratschist vereinigt erstklassige Künstler zu Konzerten außerhalb von großen Bühnen in Kammerbesetzung. Im Rahmen des Förderprojekts „Neustart Kultur“ präsentierte er verschiedene Künstler in Kulturzentren und Geigenbauwerkstätten.

Musik und winterlicher Schwarzwald

Als Stipendiat des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg produzierte der medienbegabte Musiker im vergangenen Jahr ein audiovisuelles Video. Unter dem Titel „Träume des Winters“ verbindet er die Aufnahmen der Musiker mit Bildern des winterlichen Schwarzwaldes.

Beim Videodrehen sei sein Denken als Künstler genauso wie beim Musizieren, beschreibt Milos Stankovic seinen Schaffensprozess. „Das ist, was ich bin.“ Dabei freut ihn die Anerkennung von wichtigen Wegbegleitern wie Sreten Krstic, dem langjährigen Konzertmeister der Münchner Philharmoniker.

Hautnah-Konzert in spiritueller Atmosphäre

Mit Unterstützung des Förderprojekts hat der engagierte Künstler den Gemeindesaal der Christuskirche in Unterkirnach angemietet. Der Raum habe einen guten Klang und eine spirituelle Atmosphäre. Das Publikum sitzt im Kreis um die Künstler. Das Gefühl des Musizierens, berichtet er, übertrage sich auf die Zuhörer: ein Hautnah-Konzert für alle Sinne. „Wie in Zeiten von Mozart,“ schwärmt Milos Stankovic.

Seit zehn Jahren lebt der Musiker aus Serbien mit seiner Familie in Villingen. Als Bratschist im Belgrader Streichorchester hat er während des Krieges in Ex-Jugoslawien Konzerte gespielt. Er kennt die Bedeutung von Musik für die Menschen und möchte sie mittels neuer Technologien dort hin bringen, wo sie leben: In soziale Einrichtungen für Kinder oder behinderte und pflegebedürftige Menschen, in die Wohnzimmer von Musikliebhabern.

Kultur für die Menschen auf dem Land

„Auch die Menschen auf dem Land sollen nicht auf Kultur wie in der Stadt verzichten,“ erklärt er. Er betrachte sein Projekt als Beitrag zur kulturellen Teilhabe von Menschen, die keine Veranstaltungen in Konzerthäuser besuchen können. „Jeder kann Musik verstehen“, ist er überzeugt.

Weitere Aufführungen geplant

Das mit dem Internet vernetzte Podium in der Christuskirche kann der digitale Creator sich für verschiedene Projekte vorstellen: Aufführungen von Kinder- und Jugendkonzerten oder die Übertragung von Vorträgen, Lesungen und Fortbildungsveranstaltungen.

Als nächstes plant er die Gründung einer Kammerbesetzung von fortgeschrittenen Amateurmusikern. Dabei hofft er auf Menschen, die mitmachen und die Projekte unterstützen.

Das zweite Konzert Unter dem Titel „Connected“ findet das zweite Konzert am 28. Januar 2023 im Studio der Süddeutschen Camerata in der evangelischen Christuskirche in Unterkirnach statt. Das Circolo Quartett besteht aus Musikern der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz und spielt Werke von Borodin und Dvorák. Beginn ist um 20 Uhr; Einlass ab 19. 30 Uhr. Eintritt: 21 Euro. Tickets im Internet (cloudpodiums.com) und an der Abendkasse. (ink)