Südkurier Radolfzell, 23.01.2023

 

Nahrung für Körper, Geist und Seele

Die Vesperkirche bringt Menschen zusammen Mittagessen in der Lutherkirche für alle Große Bereitschaft zum Helfen und Spenden

VON SANDRA BOSSENMAIER SINGEN.REDAKTION@SUEDKURIER.DE

Singen – Halbzeit in der Vesperkirche: Der Kirchenraum der Lutherpfarrei ist gut gefüllt. Nur vereinzelt gibt es noch freie Plätze an den Tischen. Doch das ist genau so gedacht: In der Vesperkirche kommt man zusammen, isst gemeinsam und unterhält sich am Tisch auch mit Mitmenschen, die man vorher noch gar nicht kannte. Denn da wo sonst in der Lutherkirche Kirchenbänke stehen, befinden sich jetzt mit weißen Tüchern eingedeckte Tische und Stühle. Freundlich empfangen wird man von Helfern, einer angenehmen Wärme sowie dem lecker duftenden Geruch nach einem warmen Essen.

Zum sechsten Mal gibt es die Vesperkirche und die Mitglieder des Lions-Club Radolfzell-Singen helfen wie jedes Jahr. Und sie brachten 35 selbst gebackene Kuchen mit. „Wir helfen mit großem Engagement“, sagt Jürgen Gabele als aktueller Präsident des Lions Club. Neben der finanziellen Unterstützung sei es für die Mitglieder der Serviceclubs genauso wichtig, sich aktiv einzubringen und nicht nur einen Scheck zu übergeben. So kommt es, dass an diesem Samstag 35 Mitglieder des Lions Club gemeinsam mit deren Frauen für den kompletten Service zuständig sind und dieselbe Anzahl an Kuchen gebacken haben. Weiter wurden von den Lions die Mittagessen und die Getränke für diesen Tag vollumfänglich finanziert.

„In der Bibel gibt es viele Beispiele, in denen es um gemeinsames Essen geht“, erklärt Lions-Mitglied Gerd Springe – und eben auch um persönliche Begegnungen. „Die Vesperkirche ist gut und wird gebraucht“, lautet das Fazit von Jürgen Gabele. Und so lange es die Vesperkirche geben werde, wolle der Lions-Club diese Idee weiter unterstützen.

Über 200 ganz unterschiedliche Menschen kommen während der 14-tägigen Vesperkirchenzeit täglich zum Mittagessen in die Lutherkirche und nehmen an den Tischen Platz. Einer davon ist Enzio Hahn, er kommt regelmäßig und hält sich gerne in der Vesperkirche auf, wie er erzählt. Das Ineinandergreifen vom Stil des Kircheninneren, der besonderen Atmosphäre, den Menschen hier und den empathischen Helfern bezeichnet er als Gesamtkunstwerk Vesperkirche. Das Essen sei von einer hohen Qualität. Am Halbzeittag gibt es Pichelsteiner Eintopf und eine fleischlose Variante mit Nudeln. Doch auch hier könne man viel falsch machen, so Hahn, dem das Essen schmeckt, weil alles richtig gemacht wurde. „Mit Beginn des Essens beginnt für mich eine tiefe Entspannung“, fasst er zusammen. Jedes Mal könne er an einem anderen Tisch sitzen und mit anderen Leuten und deren ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten ins Gespräch kommen. Das Zusammensein gefällt auch Wolfgang Heintschel, Vorstandsmitglied des Caritasverbandes Singen-Hegau, der einen kurzen Impuls vorträgt.

In der Vesperkirche könne man mit Menschen essen und sich unterhalten mit denen man privat vermutlich nicht zusammenkommen würde. „Das Zusammensein hier ist großartig“, so Heintschel.

Das gegenseitige Kennenlernen steht auch für die Hausherrin der Lutherkirche, Pfarrerin Andrea Fink-Fauser, im Zentrum. Es erweitere den Horizont. „Alle haben Freude an den Begegnungen“, erklärt die Pfarrerin. Dabei gelte es auch die unterschiedlichen Lebenssituationen der anderen wahrzunehmen. Denn oft würden die Menschen in ihrer eigenen Blase leben und die anderen nicht wahrnehmen, benennt die Pfarrerin eine Gefahr in der Gesellschaft. Viele berührende Gespräche würden sich immer wieder an den Tischen ergeben und das sei so in der Regel in einem Restaurant nicht möglich. Renate Weißhaar vom Tagesdienst ist fast jeden Tag dabei und berichtet, das Angebot käme gut an. Es gebe immer eine tolle Stimmung. „In der Vesperkirche spiegelt sich ein Zusammenhalt wider und man spürt die Freude darüber, nach zwei Jahren Corona endlich wieder Vesperkirche veranstalten zu dürfen“, so Renate Weißhaar.

Dankbar sei man – da sind sich alle Beteiligte einig – über die große Spendenbereitschaft in der Stadt und die vielen ehrenamtlichen Helfer, ohne die das Ganze nicht umzusetzen wäre.

„Das Zusammensein hier in der Vesperkirche ist großartig.“

Wolfgang Heintschel, Caritas-Vorstandsmitglied

„Alle, die hierher kommen, haben Freude an den Begegnungen.“

Andrea Fink-Fauser, Pfarrerin der Lutherkirche

„In der Vesperkirche spiegelt sich ein Zusammenhalt wider.“

Renate Weißhaar, Bürgerstiftung

Ein Gemeinschaftsprojekt

Die Idee: Die Vesperkirche ist ein Angebot für alle Menschen, ganz unabhängig von deren Herkunft oder sozialem Hintergrund und hat in der Lutherkirche in der Freiheitsstraße noch bis einschließlich 29. Januar geöffnet. Täglich gibt es hier auf Spendenbasis – jeder gibt so viel er kann und will – ein warmes Mittagessen, Kuchen und Getränke. Die Kirchenbänke werden während der zweiwöchigen Aktion abmontiert und traditionell in der Markuskirche untergestellt.

Die Organisatoren: Die Vesperkirche ist ein Gemeinschaftsprojekt, welches maßgeblich von dem Arbeitskreis christlicher Kirchen (ACK) organisiert wird. Viele Singener Unternehmen, Stiftungen, die Singener Tafel, die Stadt Singen und viele weitere Partner beteiligen sich an der Vesperkirche und helfen beim Zubereiten oder Abräumen.

Das Finale: Am Sonntag, 29. Januar wird es zum Abschluss der Vesperkirche um 10 Uhr einen Gottesdienst mit Pfarrerin Andrea Fink-Fauser geben, bevor man im Anschluss wieder zum Essen an den Tischen zusammenkommen kann. (bos)