Pforzheimer Zeitung, 14.01.2023

 

Der Blick der Kirchen

Immer wieder gibt es Umfragen, wonach eine Mehrheit der Menschen in Russland den Krieg unterstützt. So einfach ist es aber nicht, betonen die Kirchen. „Wir sollten zurückhaltend sein mit unserem Urteil“, mahnt etwa Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz. Es gebe sehr wohl eine Opposition. „Und dass sie mundtot gemacht wird, zeigt, welche Angst die Regierung vor den abweichenden Stimmen im Volk hat“, sagt er und verweist auf den Fakt, dass die russische Bevölkerung einer „Dauer-Propaganda durch die staatlichen Medien“ ausgesetzt sei.

„Aber richtig ist natürlich auch, dass die russische Bevölkerung – hoffentlich schon an einem nicht so fernen Tag – Zugang zu soliden Informationen haben wird und, um es einmal so zu sagen, wieder am Welt-Gespräch teilnehmen kann“, sagt er. „Dann werden sich auch die Russinnen und Russen fragen müssen, ob sie sich schuldhaft von nationalistischem Rausch haben erfassen lassen. Und sie werden sich ebenso fragen müssen, was mit ihrer Gesellschaft nicht stimmt, wenn sich die politische Führung auf unmenschliche Abwege begeben kann, ohne im eigenen Land aufgehalten zu werden. Wir im Westen werden uns an diesen schmerzhaften Auseinandersetzungen beteiligen, wir werden Gesprächspartner der russischen Gesellschaft sein. Aber wir sind nicht berufen, als Ankläger und Richter aufzutreten.“

Heike Springhart, Landesbischöfin der evangelischen Kirche in Baden, verweist zudem auf die vielen Russinnen und Russen, die ihr Land in den vergangenen Monaten verlassen hätten. „Die Haltung zum Krieg ist auch in Russland und unter russischen Menschen divers, auch wenn das kaum als zivilgesellschaftlicher Protest laut werden kann“, sagt sie.

„Dass in diesem Krieg Christen gegen Christen kämpfen, ist ein nicht hinnehmbarer Stachel auch für unsere Kirche“, sagt Springhart. Die „kriegstreiberischen Äußerungen des Moskauer Patriarchen Kyrill“ seien nicht hinnehmbar. Aber auch innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche gebe es Proteste gegen den Krieg. Es sei wichtig, im Gespräch zu bleiben und die „Perspektive der Versöhnung nicht aus dem Auge zu verlieren“, sagt die ehemalige Pforzheimer Pfarrerin. „So können diese Gesprächsfäden in einer Zeit nach dem Krieg dabei helfen, ein demokratisches Russland und eine lebensfähige Ukraine aufzubauen.“

Auch die Deutsche Bischofskonferenz bezeichnet Kyrills Verhalten als „inakzeptabel“. Kopp betont ebenfalls, dass es unter den Priestern teilweise heftigen Widerspruch gebe. „So bleibt die Hoffnung, dass sich auch die russisch-orthodoxe Kirche auf den Weg der selbstkritischen Prüfung und der Konversion machen wird. Hier liegt eine große Chance und Herausforderung gerade für die jüngere Generation“, sagt er. lif

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FOCUS online
vom 14.01.2023, Seite online
aktualisiert am 14.01.2023 um 22:05 Uhr
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FAZ.NET
vom 14.01.2023 10:10
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