Essensausgabe vor der Kirche
Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Gerade jetzt in der Energiekrise fehlt vielen Menschen das Geld, auch für eine warme Mahlzeit. Die Vesperkirche will helfen.
Winnie HeckVon Winnie Heck
Karlsruhe. Die zehnte Ausgabe der Karlsruher Vesperkirche am Werderplatz hat seit diesem Wochenende ihre Pforten geöffnet. Eigentlich ist das kein Grund zum Feiern. Besser wäre es, wenn Vesperkirchen erst gar nicht nötig wären. „Wir feiern mit unseren Gästen vor allem, dass es so viele Ehrenamtliche in der Stadt und im Umland gibt, die mit ihrem Engagement unsere Vesperkirche tragen“, sagt Lara Pflaumbaum, die als Pfarrerin der Johanniskirche mitten drin an einem der sozialen Brennpunkte der Stadt wirkt. Es sei schon immer eine große Herausforderung gewesen, doch in diesem Jahr werde noch mit deutlich mehr Gästen gerechnet. „Wir erwarten diesmal viele Menschen, die sich wegen steigender Energiekosten ihr Essen nicht mehr leisten können.“
Und natürlich ist noch immer Corona ein Thema, das durch zahlreiche andere, aktuell grassierende Infektionskrankheiten zusätzlich verstärkt werde. Wie im Vorjahr wird das Essen deshalb wieder vor der Kirche ausgegeben und konsumiert, die Kirche selbst soll jenen offen stehen, die sich aufwärmen wollen. Wobei der Begriff Wärme durchaus relativ zu sehen ist. Mehr als 15 bis 18 Grad Celsius werde es drinnen kaum haben. Es gehe eher um Gespräche, die das Herz erwärmen, die Möglichkeit, beisammen zu sitzen und sich unterhalten zu können. In der Kirche besteht dabei weiterhin FFP2-Maskenpflicht, draußen werden Masken zumindest empfohlen.
Um den erwarteten Andrang abzumildern werden auch in diesem Jahr wieder „Außenstellen“ beliefert. 80 Essen gehen täglich zum Tagestreff „TÜR“ in der Kriegsstraße, wo sich Wohnungslose tagsüber treffen, weitere 30 bis 50 Essen gehen ans „A hoch 3“, dem Alkohol akzeptierenden Aufenthaltsraum am Werderplatz. Trotzdem fürchtet Pflaumbaum, dass die Kapazitätsgrenzen der Johanniskirche überschritten werden. Von den 40 bis 50 Ehrenamtlichen könnten täglich rund 400 Essen im Umfeld der Kirche ausgeben werden, so die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren. Vielleicht müsse man diese Zahl diesmal auf bis zu 500 steigern. Positiv sei, dass bei vielen Spendern das Problembewusstsein geschärft wurde. Viele fragen nach, wie sie noch zusätzlich helfen könnten.
Vesperkirche ist aber natürlich auch in diesem Jahr weit mehr, als nur die Versorgung mit Essen und Trinken. Die sehr gut bestückte Kleiderkammer wird wieder geöffnet haben und erstmals gibt es so etwas wie ein Glücksrad, an dem Gutscheine für Geschäfte vornehmlich am Werderplatz verlost werden. Sehr starke Nachfrage ist wohl an der Hütte mit selbstgestrickten Socken zu erwarten und auch die Tierärztin, die an zwei Nachmittagen vor Ort sein wird, kann sich wieder auf großen Andrang einstellen. „Die Tiersprechstunde hat sich als enorm wichtig erwiesen“, sagt Pflaumbaum, die Menschen und ihre tierischen Begleiter würden an diesen Tagen lange Schlangen vor der Kirche bilden.
Fast genau so wichtig seien aber die Friseurtermine, die an vier Nachmittagen endlich wieder von Friseurklassen angeboten werden. Diese Termine seien während der Pandemie von vielen total vermisst worden. Eröffnet wurde die 10. Karlsruher Vesperkirche mit einem Gottesdienst und einem gemeinsames Mittagessen.
Am Sonntag, 29. Januar, ist ein Tiergottesdienst mit Segnung der Tiere eingeplant und richtig feierlich wird es dann am Sonntag, 5. Februar. Vor dem Abschlussgottesdienst um 15:30 Uhr, zu dem sich auch Landesbischöfin Heike Springhart angekündigt hat, wird es ein Konzert mit der Formation „Pizzicato Blue“ aus der Südstadt geben.
InfoDie 10. Karlsruher Vesperkirche läuft noch bis 5. Februar, täglich von 10:30 Uhr und 16 Uhr, in und um die Johanniskirche am Werderplatz.