Badische Zeitung Freiburg im Breisgau, 02.01.2023

 

Würdigung eines brillanten Theologen

Der Südwesten trauert um den verstorbenen Papst Benedikt XVI. In die Würdigungen des bedeutenden Theologen mischen sich auch kritische Töne.

Freiburg/Rom Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) würdigte den am Samstagmorgen im Vatikan gestorben Joseph Ratzinger als bedeutenden deutschsprachigen Theologen. Er bezeichnete ihn als engagierten Kämpfer für die Einheit der Kirche und beharrlichen Verteidiger dessen, was ihm als Wesensgehalt des Katholizismus unaufgebbar erschien. So wichtig Benedikt die Größe der Kirche gewesen sei, so wenig habe er Wert auf seine Person gelegt, so der Ministerpräsident.
Für den Freiburger Erzbischof Stephan Burger war Benedikts Pontifikat geprägt durch „geistige Brillanz“, Klarheit, Warmherzigkeit und „fromme Tiefe“. Bei aller Trauer dürften aber auch die schmerzlichen Ereignisse im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen und -tätern nicht ausgeblendet werden, die Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising betreffen. Als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst habe er klare Maßstäbe in der Aufarbeitung gesetzt, so Burger in einer Mitteilung. Aus Sicht des Rottenburger Bischofs Gebhard Fürst hat Benedikt die katholische Kirche nachhaltig geprägt. Er hob unter anderem einen Brief Benedikts an die irische Kirche zum dortigen Missbrauchsskandal 2010 hervor. Darin hieß es: „Wir brauchen eine neue Vision, um zukünftige Generationen zu inspirieren, das Geschenk unseres gemeinsamen Glaubens zu schätzen.“
Die badische evangelische Landesbischöfin Heike Springhart würdigte Benedikt XVI. als scharfsinnigen Theologen. Er habe vielen Menschen der weltweiten Christenheit Orientierung gegeben, sagte Springhart. Zu diesem Scharfsinn habe auch die Erkenntnis zu seinem Rücktritt 2013 gehört. Dies zeige, dass auch das Amt des Papstes nicht über das Menschenmögliche hinausgehe. Die Frage nach der Einheit der Kirche habe Benedikts Leben als Theologe und als Geistlicher geprägt. Für Baden sei die jahrzehntelange enge ökumenische Verbundenheit tragend und prägend, so Springhart. Aus dieser Verbundenheit spreche sie Erzbischof Burger und den katholischen Geschwistern ihr Beileid aus. „In dieser Verbundenheit teilen wir auch den Schmerz der Frauen und Männer in der katholischen Kirche über das, was im Pontifikat Benedikts offen geblieben ist“, erklärte die evangelische Theologin.
Der Freiburger Verlag Herder erinnerte sich an Benedikt als „Papst der Bücher“. „Wie kein anderer Papst steht Benedikt XVI. für ein Christsein, in dem Inhalt zählt“, sagte Verleger Manuel Herder. Joseph Ratzinger habe 1956 seinen ersten Vertrag mit dem Verlag Herder abgeschlossen. Mit mehr als 60 Publikationen sei er einer der prägendsten Autoren des Verlags, so Herder. dpa/epd/BZ