An Weihnachten enthauptet
Heidelberg: Johannes Sylvanus musste vor 450 Jahren auf dem Marktplatz sterben, weil er die Dreieinigkeit Gottes leugnete
Johannes Sylvanus sollte im Jahr 1572 Weihnachten nicht mehr erleben. Am 23. Dezember kniete er auf dem Heidelberger Marktplatz nieder, und ein Scharfrichter enthauptete ihn mit dem Schwert. Das Verbrechen des vor 450 Jahren hingerichteten evangelischen Pfarrers: Er leugnete die Dreieinigkeit – dass also Gott der Vater, der Sohn Jesus Christus und der Heilige Geist eine göttliche Einheit bilden.
Der Streit um die Dreieinigkeit (Trinität) ist in der Kirche sehr alt. Schon im 4. Jahrhundert lehnte der einflussreiche Theologe Arius die Auffassung ab, dass Christus und der Heilige Geist denselben göttlichen Rang haben könnten wie der Schöpfer. Eine solche Vorstellung widerspreche dem Monotheismus. Nachdem sich die Kirche im Konzil von Nizäa im Jahr 325 auf das Bekenntnis zum dreieinigen Gott festgelegt hatte, führte das Thema auch in den nachfolgenden Epochen zum Streit. Im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa dann ohnehin, wo durch die Reformation plötzlich alles auf dem Prüfstand landete – das rechte Verständnis von Bibel, Taufe, Abendmahl, Kirche und eben auch der Trinität.
Kritische Sicht auf Dogma
Johannes Sylvanus, der hingerichtete Antitrinitarier, hatte in der Kirche Karriere gemacht. Um das Jahr 1555 war er bischöflicher Prediger im katholischen Würzburg, schlug sich dann 1559 in Tübingen auf die Seite des Luthertums. Nach wenigen Jahren als evangelischer Pfarrer in Calw holte ihn Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz in seinen Dienst und machte ihn zum Superintendenten.
Der Aufsteiger war zunehmend weniger vom Dogma der Dreieinigkeit überzeugt. In seiner kritischen Sicht fand er einen Verbündeten in Heidelberg, den Theologen Adam Neuser. Sylvanus verfasste ein nicht mehr erhaltenes Glaubensbekenntnis, das den Trinitätsglauben schon im Titel als „Abgötterei“ brandmarkte. Die beiden schrieben in dieser Sache auch einen Brief an die Kirche in Siebenbürgen, wohin sie übersiedeln wollten, weil dort die Antitrinitarier stark vertreten waren.
Genau dieser Brief wurde den beiden zum Verhängnis. Als Kaiser Maximilian II. beim Reichstag in Speyer 1570 dem Gesandten aus Siebenbürgen eine Allianz abschlug, weil die Siebenbürger doch die Gottheit Christi leugneten, zückte jener das Schreiben und argumentierte, selbst renommierte Theologen in Deutschland lehnten die Trinität ab.
Der Brief führte zum Prozess gegen Sylvanus und Neuser, die in Haft auch gefoltert wurden. Während Neuser die Flucht von Schloss Heidelberg gelang, musste Sylvanus das Urteil erdulden. Die Härte ging Quellen zufolge auf die Theologieprofessoren in der Stadt zurück, namentlich auf Zacharias Ursinus und Caspar Olevian. Die weltlichen Räte hätten sich dagegen Milde gewünscht und die Delinquenten gerne in der Gemeinschaft der Kirche gehalten.
Es gibt ernstzunehmende Hinweise darauf, dass ein anderer Streit der eigentliche Grund für das Todesurteil gewesen sein könnte: Ursinus und Olevian sprachen sich für eine kirchliche Disziplinargewalt aus, Sylvanus lehnte die Kirchenzucht ab, weil Strafen laut der Bibel nur von der weltlichen Obrigkeit zu vollstrecken seien. Die Debatte um die Dreieinigkeit könnte beim Prozess gegen die Antitrinitarier deshalb nur als Vorwand gedient haben. Das Todesurteil wurde an Sylvanus vollstreckt. Sein geflohener Mitzweifler Neuser machte sich auf die Reise nach Konstantinopel an den Hof des Sultans. Historische Quellen berichten, dass er schließlich zum Islam übertrat.
Mit einem Gedenkgottesdienst hat die Evangelische Landeskirche in Baden bereits am dritten Advent in der Heidelberger Heiliggeistkirche der Hinrichtung des Theologen gedacht. Im Gottesdienst hatte die Bischöfin der Evangelischen Landeskirche in Baden, Heike Springhart, auch ein Schuldeingeständnis für das Versagen der damaligen Kirchenleitung in ihre Predigt aufgenommen. Manfred Kuhn, Kirchenrat im Ruhestand, hat die Geschichte von Sylvanus jüngst in seiner Promotion aufgearbeitet. Autor Arnim Töpel inspirierte der Stoff zu seinem im Dezember 2021 erschienenen Roman „Voll fagnoddlt“ epd/miro