Der gute Geist im Gotteshaus
»In der Kirche« (6): Elvira Matikowski ist Kirchendienerin in Wertheim-Bestenheid
Von unserer Redakteurin BIANCA LÖBBERT
WERTHEIM-BESTENHEID. Wo sie ist, ist auch er. Die Martin-Luther-Kirche in Wertheim-Bestenheid ist sein Terrain. Er tigert umher, sucht sein Plätzchen unterm Tannenbaum oder hält die Kirchenbank warm. Wenn Kater Waskas Schnurren in den Kirchengemäuern erklingt, ist auch Elvira Matikowski nicht weit.
Dabei haben Katze und Kirche eine doch eher unglückliche Historie, galt doch die Katze noch im Mittelalter als Inbegriff des Bösen und wurde vom Christentum verfolgt. Die Zeiten sind zum Glück vorbei. Vom Ende vieler seiner Artgenossen auf dem Scheiterhaufen ahnt Kater Waska nichts. Die evangelische Kirche in Bestenheid ist so etwas wie sein Zuhause - und ein Glücksgriff, wohnt er doch nur zwei Häuser entfernt - gemeinsam mit Elvira und Rudolf Matikowski - und kann somit ein Revier sein eigen nennen, das wohl deutlich größer ist, als das der meisten Katzen in der ganzen Region.
Mehr als nur ein Job
Ein Glücksgriff für die evangelische Kirchengemeinde in Bestenheid ist auch Elvira Matikowski. Seit 2011 ist die heute 57-Jährige Kirchendienerin und Hausmeisterin. Und das ist für sie weit mehr als nur ein Job. Wenn jemand gebraucht wird, Elvira Matikowski ist da. Sie putzt und kehrt, streut Salz im Winter, jätet Unkraut im Sommer, hält das Pfarrhaus in Schuss und die Kirche. Zu den Gottesdiensten läutet sie die Glocken. Und das alles macht sie mit Hingabe - nicht, als sei die Kirche ihr Arbeitsort, sondern als gehöre es zu ihrem erweiterten Zuhause, ähnlich wie für Kater Waska.
Wenn der Gottesdienst beginnt, wacht Elvira Matikowski vor der Eingangstür - während Waska ihren Platz auf der Kirchenbank warmhält. Hier wird noch jeder Besucher persönlich zum Kirchgang begrüßt. Ein kleines Gespräch am Rande. »Wie geht es?« »Was hat man so erlebt in der letzten Zeit?«. Die Gottesdienstbesucher sind dankbar über das private Miteinander. Das schafft Verbindung, Gemeinschaftsgefühl. Braucht jemand Hilfe, packt Elvira Matikowski tatkräftig an. Da wird mancher Rollatorfahrer bis zu seinem Platz gebracht. Und dass jemand kein Gebetsbuch in der Hand hat, das kommt nicht vor.
Respekt und Miteinander
»Bei uns war das nie anders. Man hat Respekt vor den Älteren«, sagt Matikowski. »Bei uns«, damit meint sie ihre alte Heimat Kasachstan. Als Russlanddeutsche ist sie mit ihrem Mann Rudolf und ihren Kindern 1992 nach Deutschland gekommen, zuerst nach Berlin, schon ein Jahr später nach Wertheim. Das Leben in Kasachstan war nicht leicht. »Deutsch durften wir nur zu Hause sprechen, damit es keiner mitbekommt.«
Ihr Mann katholisch, sie evangelisch: »Gebetet und gesungen haben wir heimlich. Sogar die Taufen haben wir zu Hause heimlich gemacht«, erzählt die 57-Jährige. Auch diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Von heimlichen Gottesdiensten zum »guten Geist« der evangelischen Kirche in Bestenheid. So nennt Susanne Burger aus dem Ältestenkreis die Kirchendienerin.
Sie kennt Matikowski, seit sie in den Dienst der Kirche getreten ist. »Sie kennt einfach jeden und sie vermittelt auch zwischen Gemeinde und Pfarrei«, sagt Burger. Denn nicht jeder traue sich immer gleich, alle seine Fragen zu stellen oder ins Pfarrhaus zu gehen. Und dann ist Matikowski zur Stelle.
Inzwischen dient sie aber nicht nur einer Kirche. Neben Bestenheid kümmert sich Matikowski seit August auch um die Kirchengemeinde in Eichel-Hofgarten und um die Veitskirche. Und das ist logistisch gar nicht so einfach. Endet der Gottesdienst in der einen Kirche um 10 Uhr, beginnt er in der anderen um 10.15 Uhr. Sechs Kilometer gibt es zu fahren, eine große Ampel liegt auf dem Weg und Zuspätkommen ist keine Option. Schließlich muss Matikowski die Glocken läuten - und die Besucher begrüßen. »Die Zeiten wurden jetzt eine Viertel Stunde nach hinten verschoben. Nun beginnt der Gottesdienst in Eichel erst um 10.30 Uhr. Das ist nicht nur für die Kirchendienerin, sondern auch für die Pfarrer eine Erleichterung«, erklärt Susanne Burger.
Halt und Trost finden
»Am Anfang war es schon etwas chaotisch mit den zwei Kirchen. Aber jetzt läuft es mittlerweile ganz gut«, befindet Matikowski. Tatkräftige Unterstützung erhält sie von ihrem Mann Rudolf, der ehrenamtlich mit anpackt. Der äußere Stress scheint ihr nicht viel anzuhaben, doch wenn sie leere Kirchenbänke während des Gottesdienstes sieht, dann hinterlässt das auch bei der sonst so rustikal erscheinenden Frau Spuren.
Viele ältere Gläubige seien krank geworden, oder sie hätten noch immer Angst vor einer Ansteckung, einige seien auch gestorben. Die Situation seit Corona verbessere sich nur langsam. »Wenn die Kirche leer ist, dann fehlt etwas«, sagt Matikowski. »Gerade in schweren Zeiten, braucht man doch diesen Halt, das Beten in der Gemeinschaft und das Gefühl von Trost, dass alles gut wird«, findet die Kirchendienerin. Auch ihr selbst habe dieses Vertrauen in schwierigen Zeiten schon geholfen.
Ein besonderer Gebetskreis
Eine besondere Aktion in ihrer Kirchengemeinde sei der Gebetskreis. »Hier betet eine Gruppe regelmäßig für Menschen, die Sorgen haben oder krank sind. Man kann seine Probleme auf einen Zettel schreiben und der Gebetskreis nimmt sich dieser an. Das finde ich klasse, so etwas gibt es nicht überall«, so die Kirchendienerin. Auch hier ist sie Vermittlerin. Nicht selten gelangen die Zettel durch sie zum Gebetskreis - natürlich bleibe dabei alles privat.
Seit September ist auch Matikowski zuversichtlich, dass es mit den Gottesdiensten wieder bergauf geht. »In Bestenheid haben wir seitdem eine neue Pfarrerin. Solche jungen engagierten Leute brauchen wir«, freut sich die 57-Jährige, die beobachtet, dass sich seitdem auch die Kirche wieder mehr füllt. Auch der neuen Pfarrerin Sophia Weber ist der besondere Dienst der Kirchendienerin bereits aufgefallen. »Sie schlägt mir sogar das Gesangsbuch auf, und alle Bändchen sind schon an den richtigen Stellen. So einen Luxus kannte ich noch nicht«, sagt die Pfarrerin.
Unter einigen Pfarrern hat Matikowski ihren Kirchendienst schon verrichtet. Eine Tradition ändert sich dabei nicht: Die Kirchendienerin liebt es einfach, zu schmücken und die Kirchen für die Gottesdienste und besonderen Feiern schön zu gestalten. »Die Besucher freuen sich auch immer, wenn es schön aussieht und das freut mich«, sagt Matikowski, die sogar die Kirchenbänke schmückt.
Schmücken mit Leidenschaft
Nun geht es ja in der evangelischen Kirche traditionell eher schlicht zu. »Aber bis jetzt haben es mir alle Pfarrer erlaubt«, freut sich Matikowski. Gerade erst hat sie das Taufbecken für eine Tauffeier hergerichtet. Tannengrün, Zapfen und Rosen. Üppig und festlich schaut es aus.
Fürs Pfarrhaus und den Kirchenflur hat sie Schneeflocken aus Papier ausgeschnitten und wenn der Weihnachtsbaum kommt, ist wieder ihr ganzes Dekorationstalent gefragt. In der Kirche hält sich dieses natürlich in Grenzen, aber im Kirchenflur, da darf sich Matikowski voll ausleben. Viele Kerzenlichter und eine familiäre Atmosphäre werden dann die Besucher zur Christmette empfangen.
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