„Reallabor“ für interreligiösen Austausch
Stefan FriedrichBeim gemeinsamen Festakt beleuchten Gesprächsteilnehmer die Situation in Pforzheim
Nicht nur das Miteinander der Religionen im Land und weltweit war Thema bei den Gesprächsrunden im Rahmen des gemeinsamen Festakts der israelitischen Religionsgemeinschaften und Kirchen in Baden und Württemberg am Sonntagabend im CCP; bei dieser Gelegenheit wurde speziell auch die Situation in Pforzheim beleuchtet. Nicht nur die auswärtigen Gäste, auch „viele Pforzheimerinnen und Pforzheimern wissen gar nicht, was wir hier für Schätze haben“, betonte Dekanin Christiane Quincke in ihrer Anmoderation. Was sie damit meinte: Menschen aller Religionen seien in Pforzheim „auf verbindende Art unterwegs“, versicherte Quincke.
Mirzeta Haug kann das nur bestätigen. Als Muslima ist sie beruflich in der evangelischen Kirche tätig und weiß noch aus Studienzeiten, dass Pforzheim schon damals als „Reallabor“ betrachtet wurde – „weil hier ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen vorherrschen und diese Stadt einfach daraus etwas macht.“ Die islamische Gesellschaft etwa habe eine lange Tradition in der Stadt. Es gibt sie seit fast 30 Jahren. „In den letzten zwei Jahrzehnten ist viel ausprobiert worden, was ich sehr gut finde“, sagte Haug, die in den Neunzigern als Geflüchtete hierhergekommen ist. Damals habe aus ihrer Sicht noch der Mut in der Stadt gefehlt, „nach vorne zu gehen, Sachen auszuprobieren und aufeinander zuzugehen“. Das habe sich in der Zwischenzeit aber geändert. Die Stadt sei wesentlich pluraler geworden als damals, was sich nicht zuletzt durch den Rat der Religionen zeigt, der 2018 gegründet wurde. „Die evangelische Kirche hat sich auf manches eingelassen“, bilanzierte Haug. Insofern ist sie überzeugt, dass sich die interreligiöse Gemeinschaft in Pforzheim nicht nur in Worten wiederfinde, sondern tatsächlich auch im Alltag gelebt wird. Das ist für Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) ein wichtiger Grund, warum das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen in Pforzheim so gut funktioniert. „Das Geheimnis ist tatsächlich, dass die Menschen miteinander und nicht übereinander sprechen; dass sie zusammenkommen und sich untereinander vernetzen.“ Das sei entscheidend, so Boch, denn nur im persönlichen Gedankenaustausch untereinander „erfährt man, was der andere denkt, wie der andere denkt und wie man da aufeinander zugehen und voneinander lernen kann“. Der rege Austausch zwischen den Religionsgemeinschaften sei auch deshalb „unheimlich wertvoll für die Stadt“ und „schlicht großartig“, so der OB.
Daher bedauert er auch ausdrücklich, dass es in der Stadt zuletzt immer wieder Demonstrationen auf dem Platz der Synagoge gegeben hat, an denen auch rechtsextreme Gruppierungen teilnehmen. „Ich finde das unerträglich“, erklärte Boch darauf angesprochen. Die Verwaltung und der Gemeinderat würden bereits offensiv nach Lösungsmöglichkeiten suchen, auch wenn es nicht leicht sei, solche zu finden. „Wir arbeiten aber daran, dass diese Demonstrationen dort nicht mehr stattfinden können.“
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