Rhein-Neckar-Zeitung - Heidelberger Nachrichten, 20.12.2022

 

Gläubige sollen die vertrauten Riten wiederfinden

Drei christliche Konfessionen vereint – Ökumenekirche feiert ihr erstes Weihnachtsfest mit verschiedenen Gottesdiensten

Von Heike Warlich

Ein Gott, ein Glaube, ein Kirchengebäude: Von dieser Überzeugung haben sich die katholische St. Pius-Gemeinde und die evangelische Thomasgemeinde in Neuostheim leiten lassen auf dem Weg hin zu Mannheimes erster und einziger Ökumenekirche. Ein langer Weg, auf dem es durchaus auch Durchhängephasen gegeben habe. „Aber aufgeben war keine Option“, da sind sich Bernhard Hübner, Pfarrgemeinderatsvorsitzender der katholischen Seelsorgeeinheit Johannes XXIII, Gerlinde Kammer als Vorsitzendes des Ältestenkreises der Thomasgemeinde, Ältestenkreis-Mitglied Wilhelm Heucke-Scheller und Bernhard Lindner vom Gemeindeteam St. Pius einig. Alle vier gehören dem Ökumenischen Gremium an, das sich mit dem organisatorischen Betrieb der Kirche ebenso befasst wie mit ihrer inhaltlichen Weiterentwicklung.

Vor einem dreiviertel Jahr wurde das deutschlandweit viel beachtete Projekt seiner Bestimmung übergeben (die RNZ berichtete), und es gestaltet sich so, wie es sich die Verantwortlichen vorgestellt haben. „Wir sind keine Simultankirche und auch kein Ort, an dem ausschließlich ökumenische Gottesdienste gefeiert werden“, erläutert Heucke-Scheller. In St. Pius finden sonntags um 11 Uhr im Wechsel evangelische, katholische, ökumenische sowie Gottesdienste der byzantinisch orientierten katholischen Ostkirche statt. Jeder ist eingeladen, jeder soll sich und die ihm vertrauten Riten im Kirchenraum wiederfinden.

Weg von der reinen Veranstaltungsökumene, sondern mit der aufgeschlagenen Lutherbibel, einer Marien-Ikone und dem mittig platzierten Taufstein direkt vor dem Tabernakel hin zu einem Ort, der für Einheit in Vielfalt steht. Mittendrin befindet sich der aus den Materialien der ursprünglichen Altäre neu geformte Altar, um den sich die Gemeinde versammelt.

Das wird auch an den Weihnachtstagen nicht anderes sein. Kinderkrippenfeier, katholische und evangelische Christmette am 24. Dezember sowie der Gottesdienst nach byzantinischem Ritus am zweiten Weihnachtstag werden in ökumenischer Verbundenheit gefeiert. Miteinander statt nebeneinander. Jeder ist willkommen. „Am 31. Dezember findet wie seit Jahren ein ökumenischer Gottesdienst statt“, sagt Hübner. Dieses „seit Jahren schon“ und das intensive ökumenische Miteinander bildeten die Basis, noch einen Schritt weiterzugehen und die katholische Pfarrkirche zur Ökumenekirche umzubauen.

Dort wird am 3. Januar der Aussendungsgottesdienst zur eigentlich katholischen Sternsingeraktion ökumenisch gefeiert. Einmal im Monat finden ökumenischen Taizé-Andachten abwechselnd in der Ökumenekirche und dem Evangelischen Gemeindezentrum im benachbarten Neuhermsheim statt. Das im Projektchor katholische und evangelische Christen singen, versteht sich von selbst. Und es gibt neue Formate. Ab Januar werden in der Gebetskapelle innerhalb der Kirche am letzten Dienstag eines Monats Meditationsandachten stattfinden. Mit dem „Lied zur Nacht“ will man jeden zweiten Sonntag neue geistliche Lieder vorstellen. „Wir wollen die Ökumenekirche künftig mehr bespielen“, erklärt Lindner. Gedacht sei an Lesungen, Vorträge und Musik. Die St. Pius-Orgel hat bereits von der italienischen Turmorgel der Thomaskirche Gesellschaft bekommen, muss jedoch noch fertig restauriert werden. Ebenso wie die Kunstinstallation „Zweifelswirbel“ im Eingangsbereich wird das Instrument die Ökumenekirche weiter zusammenwachsen lassen. „Denn worum es im Kern geht, ist, wie Ökumene gelebt werden kann“, sagt Kammer.