Eine erlesene Auswahl
Geschichtsverein stellt Neuerscheinungen zum Thema Heidelberg vor / Von Manfred Bechtel
becNach pandemiebedingter Pause hatte der Heidelberger Geschichtsverein wieder zu der traditionellen Veranstaltung „Erlesenes Heidelberg“ eingeladen. Unter diesem Motto werden Neuerscheinung zu Stadtgeschichte und Stadtforschung vorgestellt. Diese Aufgabe teilten sich Hansjoachim Räther, Dr. Martin Krauß, Dr. Maike Rotzoll, Petra Nellen sowie Claudia Rink, die auch die vielen Bücherfreundinnen und -freunde im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei begrüßten.
Den Anfang machte eine Publikation, die den Bogen von der Steinzeit bis in die Moderne spannt. Sie trägt mit „Krieg und Frieden“ denselben Titel wie die Ausstellung, die derzeit im Kurpfälzischen Museum zu sehen ist. Das von Hansjoachim Räther vorgestellte Bändchen versteht sich als „Begleitbuch“ zur Ausstellung. Sie erinnert an die vierhundert Jahre zurückliegende Eroberung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg. Der wichtigste Aufsatz ist für Räther „1622 – 2022. Der Tilly-Fund aus Heidelberg und das Soldatenleben im Dreißigjährigen Krieg“: 1962 und 1984 kamen am Oberen Gaisberg Waffenteile, Werkzeuge, Münzen und Keramik zutage. Ausgegraben wurden die Objekte vom damaligen Leiter der Archäologie im Kurpfälzischen Museum, Berndmark Heukemes, mit Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer. „Der Name des Ausgräbers wird in dem Aufsatz nicht einmal erwähnt“, beklagte Räther. – Renate Ludwig, Jonathan Scheschkewitz (Hgg.), Krieg und Frieden. Konfliktarchäologie an Rhein und Neckar, Esslingen 2022, 168 Seiten, 9 Euro.
In einem „mächtigen, prächtigen Bildband“ (Claudia Rink) werden die Geschichte der Heiliggeist-Kirche und die Heidelberger Konfessionsgeschichte aufgerollt. Der Fotograf ist Manfred Schneider. Des Weiteren finden sich Texte zur Geschichte der Bibliotheca Palatina, die einst auf den Emporen der Kirche stand, Heidelberger Katechismus, Bilderstürme, Konfessionswechsel, Hermann Maas und seine Bedeutung für die Stadt. - Vincenzo Petracca und Reinhard Störzner (Hgg.): Heilig-Geist-Kirche Heidelberg, im Auftrag der Citykirche Heidelberg, Neulingen 2021, 304 S., 29,90 Euro.
Mit der Hinrichtung des Johannes Sylvanus befasst sich eine Dissertation. „Für diejenigen, die in das Thema tiefer einsteigen wollen, ist es ein gefundenes Fressen“, urteilte Petra Nellen, für andere „harter Stoff“. Fazit: Hauptverantwortung für Verhaftung, Folter und Enthauptung trägt Kurfürst Friedrich III. – Manfred Kuhn: Die Hinrichtung von Johannes Sylvanus am 23. Dezember 1572 auf dem Heidelberger Marktplatz – im Licht der Theorie von der „Zweiten Reformation“ nach Heinz Schilling, Karlsruhe 2021; digital abrufbar.
Dem Wirken der Jesuiten in Heidelberg zwischen 1622 und 1712 ist ein Titel gewidmet. Darin sind lateinische Original-Texte wiedergegeben, übersetzt und mit Kommentaren versehen, etwa zur Einnahme Heidelbergs durch die katholischen Truppen Tillys und die Grundsteinlegung der Jesuitenkirche im Jahre 1712. – Jolanta Wiendlocha, Heike Hawicks, Das Wirken der Jesuiten in Heidelberg. Heidelberg 2022, 165 S., 24 Euro.
Vor 120 Jahren bekam die evangelische Gemeinde in Neuenheim eine neue Kirche – die Johanneskirche. Ein Team hat jetzt zu dem Kirchenthema einen Band veröffentlicht. Darin findet sich beispielsweise ein Überblick über die historische Entwicklung von ihren Anfängen 1137 bis zur neuen Johanneskirche 1902 an ihrem heutigen Standort an der Handschuhsheimer Landstraße. Die ursprüngliche Kirche stand am Marktplatz in Neuenheim, Turm und Chor stehen noch. – Hans-Jürgen Holzmann (Hg.): Johanneskirche und Johanneshaus in Heidelberg-Neuenheim, Ubstadt-Weiher, 248 S., 22,80 Euro.
Der Zusammenschluss der Lutheraner und Reformierten zur Evangelischen Landeskirche in Baden jährte sich 2021 zum 200. Mal. Aus diesem Anlass hatte es eine Jubiläumsausstellung und dazu einen gewichtigen Bildaltlas gegeben. Darin wird die Geschichte der unierten badischen Landeskirche von der Entstehung des Großherzogtums 1806 bis zur Unterzeichnung des Staatskirchenvertrags im Jahr 2007 beleuchtet. – Bildatlas zur badischen Kirchengeschichte 1800 – 2021. Hg. von Udo Wennemuth u. a., Ubstadt Weiher u. a. 2021, 341 S., 24,80 Euro.
Neue Architektur in der Metropolregion thematisiert der in Berlin lebende Autor, der sich auf Texte und Fotografien im Bereich Architektur und Kunst spezialisiert hat. Jetzt legte er einen zweiten Band vor. Das Augenmerk liegt auf seit 2012 erbauten oder renovierten Gebäuden. Die meisten Heidelberg betreffenden Gebäude stehen in der Bahnstadt. – Markus Löffelhardt, Neue Architektur – Heidelberg, Ludwigshafen, Mannheim. Mannheim 2021, 340 S., 34,80 Euro.
Die „Kurpfalzachse“ verläuft vom Königstuhl durch die Mittelachse des Schwetzinger Schlossgartens und setzt sich dann als namenloser Feldweg fort. Am Horizont erkennt man die Kalmit, den höchsten Gipfel des Pfälzer Waldes. Erst war die Landmarke nur Ideallinie, dann Blickachse, schließlich Kutschenschnellweg und Maulbeerbaumallee. – Wolfgang Schröck-Schmidt (Hg.): Die Kurpfalzachse Königstuhl-Schwetzingen-Kalmit. 120 Seiten, Altlußheim 2022, 15,95 Euro.
Mit pfälzischen Studenten in Frankreich beschäftigt sich ein schmales Bändchen. Es behandelt Bildungsreisen von Akademikern im 16. und 17. Jahrhundert zwecks Erlernung der Sprachen und Kontakten mit den ausländischen Gelehrten. „Im Grunde etwas für Spezialisten“, befand Martin Krauss. - Wilhelm Kühlmann: Abenteuerliche Studien. Pfälzische Studenten im frühneuzeitlichen Frankreich, Ubstadt-Weiher u.a. 2021, 112 S., 17,90 Euro.
Friedrich Hermann von Schomberg wurde 1615 in Heidelberg geboren, seine Mutter war Engländerin, eine Hofdame von Elisabeth Stuart. Er wurde ein typischer Kriegsunternehmer des 17. Jahrhunderts, der seine Dienste als Heerführer allen möglichen Herrschern andiente. Schließlich wurde er in England zum „Duke“ ernannt, ehe er den Schlachtentod fand. – Friedhelm Hans: Friedrich Hermann von Schomberg (1615 – 1690) mit Bausteinen zu einer britisch-pfälzischen Pastoralgeschichte, Ubstadt-Weiher u.a. 2021, 208 S., 24,80 Euro.
Charlotte von Hessen-Kassel, Kurfürstin von der Pfalz, führte eine unglückliche Ehe mit Kurfürst Karl Ludwig. In der Beurteilung kam sie bis zum heutigen Tag schlecht weg. Ihre Briefe zeichnen ein ganz anderes, ein viel freundlicheres Bild. „Dieses Buch will nun das negative und falsche Bild zurechtrücken und der Frau Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wir entdecken eine faszinierende Persönlichkeit, eine selbstbewusste Frau“, urteilt Claudia Rink. – Hannelore Helfer: kein wurm so sich nit krömt als man ihn tritt. Das Leben der Charlotte von Hessen-Kassel Kurfürstin von der Pfalz (1627–1686), Ubstadt-Weiher u.a. 2021, 368 S., 29,80 Euro.
Jeder kennt das Logo der Stadt Heidelberg: Schloss / Fluss / Brücke. Der Entwurf stammt von dem Grafiker Erwin Poell. Jetzt hat er den zweiten Teil seiner Erinnerungen vorgelegt. – Erwin Poell, Zeit der Zeichen – Zeichen der Zeit. Ein Designer erinnert sich. Autobiografie, Heidelberg 2022, 213 S., 42 Euro.
Über 50 Biografien von Funktionären der unteren NSDAP-Ebene in Heidelberg untersucht diese Studie. (Die RNZ berichtete.) – Joey Rauschenberger: Die NSDAP in Heidelberg, Organisation und Personal im „Dritten Reich“ Heidelberg 2021, 217 S. 24 Euro.
Alltagsgeschichten von kleinen Niederträchtigkeiten und Nachbarschaftsstreitereien während der NS-Zeit sind hier versammelt. In der Diktatur hatten sie aber große Auswirkungen auf das Leben der Denunzierten. (Die RNZ berichtete in einer Serie.) – Frank Engehausen: Tatort Heidelberg. Alltagsgeschichten von Repression und Verfolgung 1933 – 1945, Frankfurt am Main, New York, 2022, 379 S., 34 Euro.
Der Dozent an der Universität war aufgrund seiner pazifistischen Grundhaltung und seiner beharrlichen Kritik an den politischen Verhältnissen der Weimarer Republik den Anfeindungen konservativ-nationalistischer Kreise und der NS-Studentenschaft ausgesetzt. Ihm wurde 1932 die Lehrbefugnis entzogen; er emigrierte später in die USA. – Ingo Runde, Matthias Scherer (Hg.): Emil Julius Gumbel. Mathematiker – Publizist – Pazifist. Heidelberg 2022, 25 Euro.
Der Band dokumentiert eine Ringvorlesung an der Uni Heidelberg. Anlass war, dass der berühmte deutsch-jüdische Biochemiker Otto Meyerhof vor hundert Jahren den Nobelpreis bekommen hatte. – Michael Schmitt (Hg.): Antisemitismus in der Akademie. Otto Meyerhof – Ein Forscherleben zwischen Ruhm und Vertreibung, Berlin/Leipzig, 2022, 194 Seiten, 24,90 Euro.
Kann man den Maler Hans Thoma (nach ihm sind eine Straße und ein Platz in Handschuhsheim benannt) als „Kämpfer für die deutsche Kunst“ bezeichnen oder nicht? Diese Kontroverse vor dem Ersten Weltkrieg wird hier dargestellt. Später versuchten die Nationalsozialisten den Maler für ihre Zwecke zu vereinnahmen. – Frank Engehausen (Hg.), Hans Thoma (1839 – 1924), Zur Rezeption des badischen Künstlers im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit. Ostfildern 2022, 248 S., 28 Euro.
„Ein Buch von Liebhabern des Postwesens für Liebhaber des Postwesens“ (Maike Rotzoll). – Klaus Knorr: Das Kriegsende postalisch betrachtet mit der Wiederaufnahme des Postverkehrs 1945 in Heidelberg. Selbstverlag, Walldorf 2022, 260 S., 25 Euro.
Erinnerungen an Kindheit und Jugend von acht Heidelbergerinnen und Heidelbergern sind in diesem Bändchen versammelt. (Die RNZ berichtete.) „Ein nettes Buch zum Schmökern“, fand Petra Nellen. – Arndt Krödel: Aufgewachsen in Heidelberg in den 50er und 60er Jahren, Gudensberg-Gleichen 2022, 63 S., 14,90 Euro.
Vier Klassenkameraden des Jahrgangs 1936/37 aus Ziegelhausen fanden sich zusammen und blickten gemeinsam auf 85 Lebensjahre zurück. Ausgangspunkt ist das Steinbachtal. „Bereichernd“, urteilte Petra Nellen. – Die Vier vunn da Schdoobach. Erinnerungen aus 85 Lebensjahren in Ziegelhausen. Jahrgang 1936/37. Heidelberg 2022 (Selbstverlag), 123 S., 10 Euro (erhältlich in Ziegelhausen beim Buch Markt, Verkehrsverein, in der Bäckerei Rühle und im Seniorenzentrum).
Aus Anlass seines 100. Todestages: Ingo Runde, Heide Hawicks (Hg.): Max Weber in Heidelberg. Heidelberg 2022, 417 S., 46 Euro.
Marienhaus Stiftung Heidelberg (Hg.): Madonnenführer Heidelberg. Ein Wegweiser zu Straßen, Gassen und Plätzen, zu Kirchen und Kapellen, Lindenberg im Allgäu 2022, 9,80 Euro.
„Flott geschrieben und informativ“ (Claudia Rink): Matthias Roth: Heidelberg (Reclams Städteführer. Architektur und Kunst), Ditzingen 2022, 192 S., 12,80 Euro.
Schicksale im „Dritten Reich“ werden vorgestellt in: Stolpersteine in Heidelberg, Bd. 2, 2016 – 2021. Hg. Initiative Stolpersteine Heidelberg. Heidelberg 2022, 264 S., 19,80 Euro.
Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt Nr. 27 (2023), Heidelberger Geschichtsverein (Hg.), 320 Seiten, 22 Euro.