„Anderen zum Mitmenschen zu werden, ist unser Auftrag“
Die Evangelische Stadtmission Heidelberg ist 160 Jahre alt – Sie unterhält 25 Einrichtungen – 1700 hauptberufliche Mitarbeiter sind hier tätig
mioHeidelberg/Rhein-Neckar. Die Evangelische Stadtmission Heidelberg wird 160 Jahre alt. Seit 1862 hilft sie Menschen in Not – heute stehen Kranke, Wohnungslose und Suchtkranke im Fokus. „Das ist unsere Mission“, erklärt Pfarrer Matthias Schärr, Mitglied des Vorstands. „Mit Menschen sind wir für Menschen da. Anderen zum Mitmenschen zu werden, ist unser Auftrag.“ Helmut Seitz, bekannt durch seine Forschungen zu Alkohol und seit Kurzem Vorstandsvorsitzender, fügt hinzu: „Die Stadtmission ist wichtiger als je zuvor. In einer Gesellschaft, die auseinanderdriftet, ist der Zusammenhalt entscheidend. Denn der Mensch kann nur in Gemeinschaft existieren.“
Der Auslöser für die Gründung der Stadtmission waren Besuche von Johann Hinrich Wichern. Er kam 1849 und 1850 viermal nach Heidelberg und sprach hier darüber, dass der Glaube an Gott auch Verantwortung für den hilfesuchenden Nächsten bedeute. So entstanden mit der Zeit überall in Deutschland Einrichtungen mit dem Ziel, Menschen in Not zu helfen. In Heidelberg brauchte es jedoch noch einen weiteren Impuls zur Gründung einer solchen christlichen Initiative.
1854 kamen Diakonissen aus dem neu gegründeten Mutterhaus Karlsruhe-Rüppurr zur häuslichen Armen- und Krankenpflege in die Stadt. Sie lebten selbst in ärmlichen Verhältnissen. Um ihnen zu helfen, wurde 1861 der Diakonissenverein gegründet und 1862 die Heidelberger Stadtmission als eine der ältesten in Deutschland. Als Grundstock für die Arbeit stellten die Gründungsmitglieder 310 Gulden zur Verfügung, heute umgerechnet etwa 15 000 Euro. Im Jahr 1875 wurde dann der Grundstein für die Kapelle gelegt, dem geistigen Zentrum der Stadtmission. Aus diesen bescheidenen Anfängen hat sich die Evangelische Stadtmission Heidelberg gGmbH mit inzwischen 25 Einrichtungen, 1700 hauptamtlichen und etwa 200 ehrenamtlichen Mitarbeitern entwickelt. Sie gehört nicht zum Diakonischen Werk der evangelischen Kirche, arbeitet jedoch eng mit diesem zusammen. So erhält die Stadtmission keine Kirchensteuer, sondern finanziert sich unter anderem über die Zahlungen der Kranken- und Pflegeversicherungen sowie durch Zuschüsse aus Kommunen, Kreisen und vom Land.
Viele Menschen dürften schon einmal eine der Einrichtungen in Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis besucht haben – wohl ohne von ihrer Trägerschaft zu wissen. Die wichtigste dürfte das Krankenhaus Salem sein. Deren Vorläufer war das Diakonissenhaus in der Plöck, das zuerst Wohnhaus für die Schwestern und Pflegestation für Kranke war. Da es ständig überbelegt war, wurde der Bau erweitert und dann nach Handschuhsheim verlegt. Heute unterhält das Salem eine enge Kooperation mit der Uniklinik und gehört in einigen Fachbereichen zu den wichtigsten Einrichtungen Deutschlands. Mit dem St. Vincentius in der Heidelberger Altstadt betreibt die Stadtmission seit 2005 noch ein zweites Krankenhaus. Es wurde 1915 in der Obhut des Vincentiusvereins gegründet und ist heute eine Fachklinik für innere Medizin.
Auch die Suchthilfe ist für die Stadtmission ein wichtiges Thema. Ihre Beratung begleitet Menschen von den ersten Schritten über den Entzug und die eigenen Rehakliniken im Kraichgau bis zur Nachsorge – oft jahrelang, sagt Vorstandsvorsitzender Helmut Seitz.
In Heidelberg auch bekannt ist die Hilfe für Obdachlose im Wichernheim in der Plöck. Das Heim bietet 70 Plätze für Frauen, Männer und Paare. „Wir wissen, wie schwer es ist, als Obdachloser Hilfe anzunehmen“, betont Schärr. So ist vielleicht die größte Aufgabe auf dem Weg in ein geordnetes Leben der erste Schritt über die Schwelle des Wichernheims – aber es ist eben auch eine Chance. Daneben kümmert sich die Stadtmission mit Kinderkrippe – die demnächst von 30 auf 50 Plätze erweitert wird – und Kindergarten um die jüngsten Mitglieder der Gesellschaft und mit ihren sieben Altenpflegeheimen um die ältesten.
In Heidelberg bieten unter anderem das Wilhelm-Frommel-Haus, das Haus Philippus und die Südstadtresidenz Caroline Sammet Angebote für Dauer-, Tages- und Kurzzeitpflege wie auch für betreutes Wohnen. Hinzu kommen mehrere Heime im Rhein-Neckar-Kreis wie etwa das „Haus Stephanus“ in Dossenheim oder das „Haus Stammberg“ in Schriesheim. Nicht zuletzt ist die Stadtmission auch bei der Ökumenischen Bahnhofsmission und der Akademie für Gesundheitsberufe Heidelberg beteiligt. Doch bei allen Erfolgen und positiven Rückmeldungen gibt es auch Grund zur Sorge. Seitz, lange Jahre Chefarzt für Innere Medizin am Salem, sagt: „Die Berufe der Kranken- oder Altenpflegerin sollten mehr anerkannt werden.“
Eine weitere große Sorge treibt Seitz wie Schärr um: „Die steigenden Kosten für Energie, Lebensmittel und alles andere. Die machen uns Probleme.“ Und doch wissen sie, dass es die Stadtmission auch in Zukunft geben wird. „Es wird immer Arme geben – die Stadtmission wird einfach gebraucht“, sagt Pfarrer Matthias Schärr.