Der Glockenschlag stört nur Wenige
Der nächtliche Kirchenglockenschlag kann Menschen um den Schlaf bringen. Anderen ist er sehr wichtig. Im Seelbacher Gemeinderat hat die SPD-Fraktion das Thema jüngst angesprochen. Ein Blick auf die Situation in der Region.
LAHR/Südliche ORTENAU. Der Umgang mit dem Glockenschlag ist eine sensible Angelegenheit, die auch auf Traditionen beruht. Bei Konflikten geht es in der Regel nicht um das Glockenläuten, das zu den Gottesdiensten ruft oder aus einem bestimmten Anlass stattfindet. Dies falle nach dem Grundgesetz unter das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, erklärt Johannes Mette, Leitender Pfarrer und Dekan der katholischen Seelsorgeeinheit An der Schutter. Deshalb sei hier allein die Kirchengemeinde zuständig. Anders verhält es sich mit dem regelmäßigen Stundenschlag. Dafür ist in Baden-Württemberg die Kommune zuständig – bei Reparaturen wie bei Beschwerden. „Wobei die Kommune gut beraten ist, hier zur Klärung oder Lösung die Kirchengemeinde ins Boot zu holen“, sagt Dekan Mette.
Eine Anwohnerin hat sich in Seelbach an die SPD gewandt mit der Bitte um Unterstützung. Der Glockenschlag der katholischen Kirche in der Ortsmitte, der viertelstündlich erklingt, lasse sie im Sommer bei offenen Fenstern nicht zur Ruhe zu kommen. Dies wurde in einer Gemeinderatssitzung im November kurz thematisiert.
Ein paar Kilometer talaufwärts, in Dörlinbach, ist im Sommer des vergangenen Jahres ein Kompromiss gefunden worden. Dort dürfen die Kirchenglocken nach einem einstimmigen Votum des Gemeinderats von Schuttertal nachts zwischen 22 und 7 Uhr läuten – aber nur noch stündlich und nicht mehr viertelstündlich. In Dörlinbach waren zuvor sehr emotionale Debatten entbrannt.
Es gab eine Petition mit 175 Unterzeichnern zugunsten des viertelstündlichen Glockenschlags in der Nacht. Jeder Schlag habe seine Bedeutung als Kulturgut und Zeitgeber, wurde damals gesagt. Andere erklärten, der nächtliche Glockenschlag führe zu Schlafstörungen und sei deshalb sehr belastend. Am Ende bewerteten alle Beteiligten die Lösung als guten Kompromiss. Auch Dekan Mette, für die katholischen Gemeinden von Lahr bis Schweighausen zuständig, sieht das so.
Der Blick in die Region zeigt: Tatsächlich sind die Gebräuche recht unterschiedlich. Manche Glocken werden die ganze Nacht durch angeschlagen, viertelstündlich oder stündlich, andere schlagen um 22 Uhr das letzte Mal die Zeit an und dann erst wieder morgens. So wird dies etwa in der Kirche St. Peter und Paul in Lahr praktiziert. Manche Kirchenglocken bleiben stumm. „So hat etwa unsere Heilig-Geist-Kirche in Dinglingen überhaupt keinen Stundenschlag“, sagt der katholische Dekan Mette. Die benachbarte evangelische Martinskirche schlage dagegen durchgängig, was auch historisch erklärbar sei. „In den neun Pfarrkirchen der Seelsorgeeinheit An der Schutter gibt es große Unterschiede, da es ein Stadt-Land-Gefälle und verschiedene politische Gemeinden als Ansprechpartner gibt“, so Mette.
Rainer Becker, der evangelische Dekan für den Ortenaukreis, verweist darauf, dass immer mehr Menschen unterschiedliche Arbeits- und Lebensrhythmen haben. „Deshalb wird seitens der evangelischen Landeskirche empfohlen, die Lautstärke des Uhrschlages zu dämpfen oder auch auf den Uhrschlag zwischen 22 und 6 Uhr und auf das Läuten zwischen 20 und 7 Uhr zu verzichten.“ 7 Uhr werde in der evangelischen Kirche in Baden als frühester Zeitpunkt für das Gebetsläuten empfohlen. An Sonn- und Feiertagen soll wegen des besonderen Ruhebedürfnisses der Bevölkerung mit dem Gebets- und Vorläuten später begonnen werden, so der Dekan.
In Friesenheim gibt es nach Auskunft der Kommune eine besondere Regelung. Dort läutet die katholische Kirchenglocke nachts alle 15 Minuten, die evangelische läutet nicht, es sei denn, die katholische fiele aus.
Wie es in Seelbach weitergeht, ist offen. Gemäß Verordnung müsste die SPD-Fraktion einen Antrag stellen, wenn sie sie eine Änderung der bestehenden Praxis erreichen will. Die Fraktion habe sich noch nicht entschieden, erklärt deren Sprecher Wolfgang Himmelsbach. Es sei ein heikles Thema, das man in Ruhe besprechen möchte.
Anderswo steht das Thema derzeit offenbar nicht auf der Tagesordnung.
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