Rhein-Neckar-Zeitung - Heidelberger Nachrichten, 25.11.2022

 

Sie steht Kranken und Beschäftigten zur Seite

Verena Mätzke ist die neue evangelische Klinikseelsorgerin am Universitätsklinikum

Von Marion Gottlob

Ihre Gabe zur Seelsorge entdeckte Verena Mätzke (44) in Israel. Nach dem Abi-tur verbrachte sie ein Jahr in Jerusalem, wo sie Menschen mit schwersten Mehrfach-Behinderungen betreute. „Es war das erste Mal, dass ich Menschen mit so schweren körperlichen wie geistigen Beeinträchtigungen begegnete“, erzählt sie. „Zu meinen Aufgaben gehörte es, mit den Betroffenen zu reden, sie zu ermutigen und zu mobilisieren. Zuerst haben wir uns mit Händen und Füßen verständigt, bis ich mit ihnen Hebräisch gelernt habe.“

Seit kurzem teilt sich die evangelische Pfarrerin Mätzke die Aufgabe der Klinikseelsorge an der Universitätsklinik Heidelberg mit ihrem katholischen Kollegen Nikolaus Schmerbeck. Ihre Stelle wird zu drei Vierteln von der evangelischen Kirche und zu einem Viertel über die Stiftung „Evangelische Klinikseelsorge Heidelberg“ finanziert. Professor Carsten Müller-Tidow, Ärztlicher Direktor der Uniklinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie und Mitglied des Stiftungsbeirats, sagt: „Eine Klinikseelsorgerin wie Verena Mätzke stärkt den Patienten im Prozess der Heilung. Auch für die Mitarbeiter ist sie Ansprechpartnerin, gerade in der Corona-Zeit, in der viele Pflegekräfte nach der mehr als zwei Jahre langen Krise überarbeitet und überlastet sind.“

Mätzke ist in Esslingen aufgewachsen. „Meine Familie war nicht religiös“, erklärt sie, „aber ich habe mich schon als Kind in der Kinder- und Jugendarbeit der evangelischen Kirche wohlgefühlt.“ Während ihres Auslandsjahres in Jerusalem entschied sie sich für das Studium der Theologie. „Als Schülerin war ich mir der Antworten auf Sinnfragen gewiss. In Israel habe ich mich intensiv mit den drei monotheistischen Religionen, mit dem Judentum, Christentum und Islam, beschäftigt. Dort wurden meine Überzeugungen erschüttert – ich wollte mehr wissen.“

Nach der Rückkehr nach Deutschland folgte ein Studium der Theologie in Heidelberg. „Das Studium war meine Welt. Ich durfte mich im Diskurs mit anderen mit all den Fragen beschäftigen, die mich persönlich betreffen. Mit Fragen nach dem Glauben, dem Sinn des Lebens und mit ethischen Fragen.“ Nach dem Studium promovierte sie über die Rechtfertigungslehre – darüber, dass gemäß dem christlichen Glauben Gott dem Menschen sein bedingungsloses Vertrauen schenkt. Über sich selbst sagt sie: „Für mich ist das Vertrauen Gottes die Grundlage meines Lebens.“

Es folgte das Vikariat in Karlsruhe. „Das war super, ich mochte die Vielfalt.“ Später übernahm sie in Wertheim ihre erste eigene Gemeinde – tätig war sie dort auch in der Corona-Zeit. Sie war für die Seelsorge im Krankenhaus und im Altenheim zuständig. Damals bat eine Frau sie um Hilfe, deren Vater auf der Intensivstation im Koma lag und den sie nicht besuchen durfte. Sie bat Mätzke, ihn zu segnen. Mätzke fand einen Patienten vor, der mit offenen Augen dalag. Sie erzählte ihm von seiner Tochter und fragte, ob sie ihn segnen dürfe. Der Mann nickte. So sprach sie den Segen und zeichnete ein Kreuz auf seine Stirn. Als sie nach Hause kam, hatte die Tochter schon Worte des Dankes auf den Anrufbeantworter gesprochen. Der Mann überlebte.

Auch das hat sie erlebt: Im Altenheim machte sich eine Frau Sorgen um eine Mitbewohnerin, darüber, dass sie in der Coronakrise an Einsamkeit verzweifeln könnte. Daraufhin besuchte Mätzke mit einem Pfleger die Frau. Es ergab sich ein Gespräch – und danach nahm sich der Pfleger jeden Abend zusätzlich Zeit für einen kurzen Besuch bei dieser Frau. „Die Pflegekräfte haben in dieser Zeit so viel aufgefangen“, sagt Mätzke.

Warum hat sie sich für die Klinikseelsorge beworben? „Es gehört zum christlichen Auftrag, kranke Menschen zu besuchen. Mir ist klar geworden, dass diese Seelsorge meine Berufung ist.“ Schon zuvor hatte sie eine zweijährige Qualifizierung im Bereich der Pastoralpsychologie absolviert. Als sie die Zusage aus Heidelberg erhielt, war sie drei Tage lang nur eines: glücklich.

Mätzke begegnet ihren Patienten mit Achtung. Vor kurzem besuchte sie einen Mann, der eine Chemotherapie erhielt und aufgrund der Nebenwirkungen unruhig und fast aggressiv wurde. Es entspann sich ein Gespräch über Freude. Allmählich wurde der Patient ruhiger und konnte die Therapie besser ertragen. „Das war ganz toll“, erinnert sich Mätzke.

Die evangelische Klinikseelsorgerin besucht Patienten unabhängig von der Religion oder der Herkunft. Sie ist an die Schweigepflicht gebunden. Manchmal erfährt sie viel Leid. Dann findet sie Halt im Glauben an Gott: „Auch wenn ich manches nicht immer verstehe, so vertraue ich darauf, dass wir auch in schlimmen Zeiten auf die liebende Kraft Gottes vertrauen können. Das ist eine Kraft, die trägt im Leben, im Sterben und im Tod.“

Die Rückkehr nach Heidelberg fiel ihr leicht. Sie sagt: „Es ist vieles gleich geblieben. Neu ist aber die Bahnstadt, die ich nun entdecken werde.“ Sie hatte Glück, denn sie hat sofort eine Wohnung gefunden.