Die Kindervesperkirche wird mehr denn je gebraucht
Ab Montag erhalten in Armut aufwachsende Kinder wieder täglich ein warmes Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und Bastelangebote
Von Volker Endres
„Es reicht!“ – unter diesem doppeldeutigen Motto lädt die Evangelische Kirche ab dem kommenden Montag wieder in die Jugendkirche im Stadtteil Waldhof ein. Nach mittlerweile 15 Jahren Einsatz erwarten die Verantwortlichen zum einen endlich ein wirksames Mittel im Kampf gegen Kinderarmut. Zum anderen zeigt der gemeinsame Kraftakt, dass die vorhandenen Mittel tatsächlich für alle reichen.
Mit Hähnchengulasch, Nudeln und Krautsalat startet die Kindervesperkirche in ihre 15. Auflage, erhalten Kinder hier zwei Wochen lang aber nicht nur ein warmes Mittagessen, sondern auch ein Spiel- und Bastelangebot, Hausaufgabenbetreuung und eine Stunde bei den Vorlesepaten. Alles komme im Alltag bei vielen Kindern zu kurz, betonte Stadtdekan Ralph Hartmann. „Die Armutsentwicklung in Deutschland war schon vor Corona und Ukrainekrieg beeindruckend“, sagte er. Jedes fünfte Kind wachse in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen auf. „Und durch die Pandemie und Inflation hat sich die Situation zusätzlich verschlimmert.“
Die Leidtragenden seien wieder einmal die Kinder. Die Vesperkirche sei daher Mahnung und Hilferuf zugleich. „Kinder, die in Armut aufwachsen, haben von Anfang an schlechtere Chancen“, sagte der Stadtdekan. Bewusst setze man deshalb ein Zeichen und biete einen Raum, in dem es für alle reicht. „Die Kindervesperkirche ist für uns ein Leuchtturmprojekt“, erklärte Matthias Binder vom Verein „Adler helfen Menschen“, der die Aktion von Anfang an nicht nur finanziell unterstützt und sich über deren Entwicklung freut.
„Wir machen mittlerweile in allen drei Oberzentren der Metropolregion auf das Thema Kinderarmut aufmerksam“, sagte er – auch wenn die Veranstaltung in Heidelberg unter dem Motto „Kirche für Kids“ durchgeführt werde. „Dort tut man sich mit dem Begriff ,Armut’ offenbar schwerer“, mutmaßte Binder. Das Konzept ist aber überall gleich. „Die Kinder treffen im Klassenverband um 9.30 Uhr bei uns ein“, erläuterte die Leiterin Svenja Hauseur. Im Klassenverband deshalb, um die tatsächlich Betroffenen nicht zu stigmatisieren.
Ab Montag sind deshalb 23 Schulklassen zu Gast – vornehmlich aus den Schulen der benachbarten Stadtteile. „Das sind am Vormittag rund 600 Kinder“, rechnete Hauseur vor. Die dürfen erst einmal ausgiebig spielen. „Um 12 Uhr singen wir dann gemeinsam das Kindervesperlied, und es gibt Mittagessen.“ Das gilt in der Jugendkirche im Mannheimer Norden genauso wie in der „Zweigstelle“ im Süden.
Denn wegen Corona wird auch in der Rheinau-Schule Mittagessen serviert, gebastelt und gespielt. „Der Weg von dort in den Norden war schon vorher sehr beschwerlich“, wusste Schulleiterin Tweila Wittmann. Sie ist deshalb froh über das erweiterte Angebot für ihre 140 Schüler, von denen täglich zwei Klassen zur Vesperkirche im Schulgebäude kommen. Sie berichtete auch von einem der versteckten Merkmale für Armut: „Immer mehr Kinder bringen zwar noch ein Pausenbrot mit, aber in der Regel gibt es nur noch Toastbrot. Das ist billiger.“
Es gibt also auch nach 15 Jahren noch gute und wichtige Gründe für die Kindervesperkirche. „Und wir werden nicht müde auf die Missstände hinzuweisen“, sagte Dekan Ralph Hartmann und freute sich, was neben der zweiwöchigen Aktion noch alles an Hilfsleistungen entstanden ist. Den wöchentlichen Mittagstisch am Mittwoch zum Beispiel, das Zeltlager im Sommer mit den Adlern oder viele weitere Hilfsprojekte. Eine schöne Begleiterscheinung eines Themas mit einem sehr ernsten Hintergrund. Die Kindervesperkirche hat bis zum 9. Dezember geöffnet.