Weniger Gottesdienste in kalter Kirche
Krisensitzung in der Evangelische Michaelsgemeinde offenbart hohe Energiekosten, Sparzwänge und Personalknappheit
SCHOPFHEIM. Es waren nur wenige Mitglieder der Michaelsgemeinde, die im Anschluss an den sonntäglichen Gottesdienst zur Gemeindeversammlung anwesend blieben. Die letzte Hauptversammlung fand coronabedingt vor drei Jahren statt. Im Vordergrund standen überwiegend ungemütliche Fakten, mit welchen die Kirchengemeinde künftig leben muss. Unter anderem wird die Temperatur in den Kirchen auf nur noch 16 Grad gesenkt.Von Gudrun Gehr
Der Vorsitzende des Kirchengemeinderats, Matthias Rive, stellte das Zahlenwerk vor. Der Jahresabschluss für 2022 beträgt insgesamt rund 1,3 Millionen Euro, worauf 28 Prozent Anteil auf die Kirchengemeinde und 72 Prozent auf die Kindergärten entfällt. Im Posten der Kindergarten-Ausgaben stehen die Personalkosten mit Abstand an erster Stelle. Trotz sinkender Mitgliederzahlen ist für den Haushalt 2022 ein Überschuss von 8825 Euro vorgesehen. Pfarrer Martin Schmitthenner berichtete von der Situation der Gemeinde in der Energiekrise. Die monatlichen Abschläge der Gaspreise haben sich auch für die Kirchengemeinde um 45 Prozent erhöht.
Der Kirchengemeinderat musste daher entscheiden, die Maximaltemperatur in den Kirchen auf rund 16 Grad abzusenken. Angeschafft werden daher wärmende Sitzkissen, welche die Gottesdienstbesucher zusätzlich zu ihrer Winterbekleidung benutzen können. Nur bei extremen Niedrigtemperaturen soll das Gemeindehaus in Schopfheim benutzt werden. Hier gebe es jedoch technische Probleme, sodass das Haus nur entweder voll oder gar nicht beheizt werden kann. Die Gottesdienstpläne wurden ebenfalls reduziert.
Ab 2023 wird jeweils am vierten Sonntag des Monats abwechselnd in Eichen, Wiechs oder Langenau Gottesdienst gefeiert. Fünf Gottesdienste pro Jahr sind eingeplant. Ein Versammlungsbesucher protestierte: „Das bedeutet ja nur noch in der jeweiligen Gemeinde einen Gottesdienst pro Vierteljahr, dann können wir zumachen.“ Pfarrer Schmitthenner beugte sich den Fakten: „Wir wissen, dass dies nicht die Eins-A-Lösung ist, dies ist das Resultat der Energiesituation.“
Die Möglichkeit, Gottesdienste in öffentliche Räume auszulagern, werde weiter reduziert durch Personalknappheit. Ein Besucher meinte, es sei kaum rentabel, einen Gottesdienst bei sinkenden Besucherzahlen und völlig überalterten Kirchendienern durchzuführen. Der Gast meinte: „Wir sollten so nicht weiterwursteln.“
Die vakante Pfarrstelle für Wiechs und Langenau konnte bislang trotz vielfacher Bemühungen nicht besetzt werden. Bewerbungen seien nicht eingegangen. Schmitthenner sagte resignierend: „Wir sind die Region, wo keiner hin will.“ Diakonin Ursula Schmitthenner meinte, dass die Reduzierungen nicht nur mit der Energiekrise entstehen. „Wir sind im Moment in einem Umbruch, wir werden Personalstellen und Räumlichkeiten streichen müssen.“
Diakonin Lena Zacheus berichtete über ein gutes Gelingen der Familienkirche, die üblicherweise von 30 Personen besucht wird. Es handelt sich um eine „wandernde Gemeinde“, die in unterschiedlichen Orten die Gottesdienste feiert. Sie berichtete ferner von einer gut besuchten Konfirmandengruppe. Diakonin Uschi Schmitthenner erwähnte für die Seniorenarbeit: „Corona hat uns weh getan.“ Viele Menschen möchten keine Seniorenarbeit mehr, es fehlt die Lust zum Mitmachen. Auch Aktive, die sich einbringen möchten, werden dringend gesucht.
Matthias Rive berichtete zum „Projekt 2032“ der Landeskirche. Dies bedeutet, dass sich die Landeskirche bis 2032 in einzelnen Schritten innerhalb eines „Transformationsprozesses“ aus 30 Prozent der Finanzierung zurückziehen wird. Es besteht mindestens für zwei Jahre ein Baustopp, ein größerer Investitionsstau – darunter das Gemeindehaus in Schopfheim – werde sich daher ansammeln. Aufgrund des Einsparpotentials sei ein neuer Kooperationsraum zwischen Schopfheim, Fahrnau, Hasel, Dossenbach, Schwörstadt, Gersbach, Hausen-Raitbach und Maulburg geschaffen worden. Rive erklärte, dass sich die Pfarrstellen infolge sinkender Mitgliederzahlen geographisch vergrößern . Das Verhältnis von einem Pfarrer auf 2000 Gemeindeglieder bleibe bestehen. Zahlreiche personelle Umwälzungen, auch infolge von Pensionierungen der Pfarrer, werden folgen. Momentan gibt es im Kooperationsraum sechs Pfarrstellen und 1,5 Diakonenstellen. Rive meinte: „Bis 2032 wird es im Raum zwei Pfarrstellen weniger geben, wir werden uns damit anfreunden müssen.“