BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN Hardt, 24.10.2022

 

Im sozialen Bereich steigt der Kostendruck

Von unserer Mitarbeiterin Susanne Dürr

Altenheime und Kindergärten: Zum Fachkräftemangel kommen noch enorme Nebenkosten dazu

Stutensee/Pfinztal. Die Diakonie Baden schlägt Alarm. Zum anhaltenden Fachkräftemangel bei Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern gesellen sich die explodierenden Kosten. Derartige Kostensteigerungen seien in den Preisvereinbarungen der Einrichtungen nicht berücksichtigt, äußert der Chef der Diakonie Baden, Urs Keller, in einem Videoblog. „Alles, was unser Dasein sicher macht, unsere sozialen Sicherungssysteme, sind aufs Äußerste belastet.“ Im Extremfall drohe die Schließung, so Keller.

Wir fragen bei regionalen Trägern von Kindergärten und Pflegeeinrichtungen der Region nach, wie die zusätzlichen Belastungen derzeit gestemmt werden. „Jetzt, wo der Corona Pflege-Rettungsschirm beendet ist, stehen wir als Träger erneut vor großen Herausforderungen, wie unsere Leistungen refinanziert werden, betont Wolfgang Betting, Vorstandsvorsitzender der evangelischen Stadtmission, die in Stutensee ein Seniorenzentrum und im Stadtkreis fünf weitere Pflegeeinrichtungen unterhält. „Wir müssen die allgemein gestiegenen Kosten erst mal selbst auffangen“, so Keller.

Im August wurden mit den Pflegekassen die Zuzahlungsbeträge der Pflegesätze neu verhandelt, ohne dass hierbei die außerordentlichen Kostensteigerungen abgefangen wurden. Die Eigenanteile liegen teilweise über 3.000 Euro. Schon jetzt bekommen etwa 50 Prozent der Bewohner Hilfe vom Sozialamt zu den Heimkosten.

„Generell gibt es für uns in den Pflegeeinrichtungen kein Einsparpotential“, so Bastian Kletschke, Qualitätsbeauftragter des AWO Bezirksverbands Baden, der in der Region Pflegeeinrichtungen in Eggenstein-Leopoldshafen und Graben-Neudorf unterhält. Weder könne man am Essen, noch am Personal oder der Heizung sparen.„Wir haben in einigen Einrichtungen moderne Pelletheizungen. Kostete die Tonne Pellets letztes Jahr noch 200 Euro, so liegt sie nun bei 800 Euro. Auch er schließt sich der Forderung von Wolfgang Betting an, als kurzfristige Maßnahme erneut einen weiteren Pflege-Rettungsschirm zur Abfederung der Mehrkosten für die Träger zu spannen. Als langfristig anvisierte Lösung zur Vermeidung zunehmender Altersarmut fordern beide eine Pflegereform mit dem Prinzip des „Sockel-Spitze-Tausch“, sprich die Pflegeversicherung übernimmt die Pflegekosten und berechnet dem Versicherten einen fixen, begrenzten Eigenanteil. „Im Angesicht des eklatanten Fachkräftemangels rekrutieren wir philippinische Fachkräfte“, so Kletschke. Dabei wünsche er sich eine Entbürokratisierung beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz. „Als Anreiz für die Beschäftigten beziehungsweise Auszubildenden, haben wir Wohnraum in Eggenstein angemietet, zusätzlich anzumietender Wohnraum in Graben-Neudorf ist in Planung“, sagt er.

Den Fachkräftemangel spüren auch die Kitas der Region. „Ich arbeite inzwischen mit zwei Leiharbeitsfirmen zusammen, um den Betrieb aufrechterhalten zu können, erklärt Andrea Zebrowski, Leiterin des Kindergartens „Rasselbande“ im Pfinztal.

Schließungen sei aufgrund der aktuellen Energiesituation nicht zu befürchten, auch seien Schulen und Kindertagesstätten von Regelungen zur Absenkung der Raumtemperatur ausgenommen, so die Pressesprecherin der Gemeinde Pfinztal, Elke Fleig. Letztmalig wurden die Elternbeiträge zum 1. Oktober um 2,9 Prozent angepasst, gleichzeitig wurde für Mehrkindfamilien ein entlastender Geschwisterkinder-Rabatt eingeführt, der nicht mehr auf den Besuch einer Einrichtung abhebt, so Fleig zu den Betreuungskosten, bei denen ein jährliches Defizit von circa 5.500 Euro pro Kind für die Gemeinde entstehe. Aufgrund des akuten Personalmangels könnten jedoch Einschränkungen bei den Betreuungszeiten drohen, so Fleig.