Ministerin verteidigt Stiftungsmodell
Ludwigsburg . Seit 2019 verantwortet der Sunnitische Schulrat den islamischen Religionsunterricht, ist zuständig für Organisation, Inhalte und die Lehrerlaubnis. Die Vorgänge um den Freiburger Hochschullehrer Abdel-Hakim Ourghi oder Kritik an Mitgliedsverbänden der Stiftung haben in den vergangenen Monaten für Wirbel gesorgt. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) machte sich am Montag ein Bild vom Unterricht. Unser Korrespondent Theo Westermann beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was bekam Kultusministerin Theresa Schopper in Ludwigsburg zu sehen? Am Friedrich-Schiller-Gymnasium gibt es islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung seit dem Schuljahr 2021/22, wie Schulleiter Ulrich von Sanden berichtete. Hintergrund war, dass Eltern Interesse bekundet hatten. Rund 50 Schüler nehmen in den Klassenstufen fünf bis zehn teil. Schopper besuchte eine zehnte Klasse, in der neun Jugendliche von Bünyamin Avci unterrichtet werden. Der Gymnasiallehrer für Englisch und islamische Religion unterrichtet auch am Ferdinand-Porsche-Gymnasium in Stuttgart. Am Dienstag ging es im Unterricht darum, welchen Einfluss der Klimawandel auf die Religionsausübung im Islam haben kann, etwa auf die Pilgerfahrt nach Mekka.
Wie ist die Position der Kultusministerin?
„Die Rückmeldungen von den Schulen sind sehr positiv“, so die Ministerin, auch bei der Elternschaft bestehe eine hohe Zufriedenheit. Ludwigsburg zeige zudem, dass die Zusammenarbeit mit der Stiftung gut funktioniere.
Wie viele Schulen im Land bieten diesen Unterricht an?
In diesem Schuljahr findet an 111 Schulen aller Schularten islamischer Religionsunterricht statt, den 6.495 Schülerinnen und Schüler besuchen. Die Tendenz zeigt nach oben, im Jahr davor waren es noch 86 Schulen. „Die Lehrer erreichen aber nur fünf Prozent der sunnitischen Schüler im Land“, so Amin Rochdi, Geschäftsführer der Stiftung. 200 Studierende für das Fach gibt es an den Pädagogischen Hochschulen (PH) Ludwigsburg, Karlsruhe und Freiburg. An der PH Weingarten läuft das Angebot aus. Die Universität Tübingen bietet das Fach für Lehramt an Gymnasien an.
Was ist die Vorgeschichte der Stiftung Sunnitischer Schulrat?
Die Landesregierung ersetzte mit der Stiftung 2019 das seit 2006 laufende Modellprojekt islamischer Religionsunterricht. Vertreten sind die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken und der Türkische Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), letzterer wird von Kritikern als konservativ-autoritär bezeichnet. Die Stiftung schließt eine Lücke. Im Gegensatz zu den christlichen Kirchen gibt es auf sunnitischer und schiitischer Seite keine staatlich anerkannte übergreifende Organisation. Die Stiftung ist bis 2024 angelegt. Und dann? Schopper dazu: „Die Alternative ohne Stiftung? Wir hätten keinen Religionsunterricht.“ Man werde aber alles tun, um qualitätsorientierten Religionsunterricht zu ermöglichen.
Wie ist die heutige Position des Landes mit Blick auf die Stiftung?
Im Staatsministerium will man an der Stiftung und an dem bekenntnisorientierten Unterricht festhalten. Zwar ist die Teilnehmerzahl noch überschaubar, aber es würden mit dem Unterricht auch Kinder und Jugendliche erreicht, die nicht aus dem Spektrum stammen, das die beiden eher kleinen Verbände repräsentieren. Dies hält man in der Regierungszentrale für einen entscheidenden Vorteil. Diese Beobachtung bestätigt gegenüber unserer Redaktion auch der Lehrer Bünyamin Avci für seine Klassen.
Will das Land weitere Verbände zum Mitmachen bewegen, etwa die türkische Ditib?
Kultusministerin Schopper ging auf Ditib nicht näher ein. Sie sagte nur: „Momentan gibt es keine Bestrebungen, die Zahl der Verbände zu erhöhen.“ Sie schließe aber nicht aus, dass einzelne Personen zur Mitarbeit gebeten würden.
Worum geht es bei dem Streit um die Lehrerlaubnis für den Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi?
Ende 2020 forderte die Stiftung den Dozenten der PH Freiburg auf, einen Antrag auf eine Lehrerlaubnis (Idschaza) zu stellen – was er tat. 2021 verweigerte die Stiftung ihm diese mit dem Hinweis, er habe kein Lehramtsstudium im Fach Islamische Theologie/Religionspädagogik oder einen „gleichwertigen Abschluss“. Ourghi legte Widerspruch ein. Er könne vergleichbar mit anderen Hochschullehrern in diesem Bereich kein abgeschlossenes Lehramtsstudium haben, weil es islamische Religionspädagogik früher nicht gab. Die Stiftung lehnte den Widerspruch ab, Ourghi reichte nun Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg ein. Sein Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel teilte mit, eine Erteilung oder Versagung der Lehrerlaubnis betreffe Ourghi in seiner durch das Grundgesetz geschützten Berufsfreiheit. Ohne sie müsse Ourghi befürchten, dass ihn die PH nicht als Hochschullehrer im Bereich der Lehrerbildung im Fach Islamische Theologie/Religionspädagogik einsetzen könne. Steinhöfel, immer mal wieder erfolgreich als Kläger gegen Facebook und Co, ist als Anwalt eine Art Ikone in der rechtskonservativen Szene.
Wie positioniert sich Abdel-Hakim Ourghi?
Ourghi sieht sich als Opfer konservativ-autoritärer Islamverbände, die ihn als eine Stimme des liberalen Islam mundtot machen wollten. Diese Darstellung wird im Staatsministerium kritisch gesehen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sei regelmäßig im Gespräch mit liberalen Muslimen. Ourghi fische eher am rechtskonservativen Rand. Außerdem wird darauf verwiesen, dass nur wenige Studenten bei Ourghi ihren Abschluss machten. Das Land hatte zudem einen Kompromissvorschlag gemacht. Er sah vor, dass Ourghi mit seinen bisherigen Aufgaben an der PH Freiburg verbleibt und weiterhin in der Lehrerbildung tätig sein könne. Gleichzeitig solle eine Professur im Einvernehmen mit der Stiftung durch die PH besetzt werden. Dies schlug Ourghi aus. Damit sei die Aufforderung verbunden gewesen, seinen Einspruch zurückzuziehen, sagte Ourghi damals gegenüber unserer Redaktion. Das habe er abgelehnt, weil dies ein „selbst gewähltes Berufsverbot“ sei. Die Professur als solche halte er für sinnvoll.