Kirchentreffen im Minenfeld
Kirche Erstmals versammelt sich die Weltökumene in Deutschland. Weltliche Konflikte bestimmen das Treffen in Karlsruhe. Auch der Krieg in der Ukraine. Von Elisabeth Zoll
Von Elisabeth ZollÖkumene-Treffen in spannungsreicher Zeit: Selten war das Spitzentreffen der Weltökumene mit so vielen weltlichen Konfliktthemen auf einmal konfrontiert: der Krieg in der Ukraine, der Konflikt in Nahost, die Klimakrise, die besonders den benachteiligten Süden trifft, die teils giftigen Auseinandersetzungen über den Umgang mit sexuellen Minderheiten und die Ordination von Frauen als Pfarrerin. In Karlsruhe werden rund 4500 Gäste aus 352 Mitgliedskirchen neun Tage, vom 31. August bis 8. September, darüber debattieren und aufzeigen, was sie für eine friedvollere und geeinte Welt tun können.
Ansage und Hoffnung
Zur Eröffnung werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerpräsident Winfried Kretschmann erwartet. Sprechen wollen auch Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie Muslime.
Das Motto des Treffens ist Ansage und Hoffnung zugleich: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“. In Karlsruhe werden Kirchenvertreter der Kriegsparteien in der Ukraine aufeinandertreffen. Zwar hat der im Westen umstrittene Moskauer Patriarch Kyrill seine Teilnahme abgesagt, doch wird die russische Orthodoxie (ROK) von einer 20-köpfigen Delegation vertreten werden. Sie setze auf die Kraft der Begegnung, aber auch auf kritische Auseinandersetzungen, betont die badische Landesbischöfin Heike Springhart, die zu den Gastgebern zählt.
Forderungen nach einem Ausschluss der mit rund 160 Millionen Gläubigen größten Mitgliedskirche hat der ÖRK eine Absage erteilt. Das bekräftigte auch die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), Annette Kurschuss: „Ich erhoffe mir, dass auf kirchlicher Ebene eine Kommunikation möglich wird, die auch politisch etwas austrägt“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst. Bisherige Friedensappelle des ÖRK wurden vom Moskauer Patriarchen nicht gehört. Kyrill verschärfte zuletzt den Ton gegenüber dem Westen, den er aufgrund seiner liberalen Werte als „verkommen“ ansieht.
Gerade in ethischen Fragen verlaufen harte Fronten zwischen den Mitgliedskirchen des ÖRK. Die Ordination von Frauen ins geistliche Amt ist so umstritten wie die Anerkennung homosexueller Lebensformen. „Die Spannungen innerhalb der Orthodoxie, zwischen Orthodoxie und Kirchen der Reformation, zwischen aufgeklärtem Protestantismus und Fundamentalismus sowie zwischen den westlichen Kirchen und denen des globalen Südens stellen die Vollversammlung in Karlsruhe vor enorme Herausforderungen“, analysiert die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann, die über Jahre auch hohe Positionen in ÖRK-Gremien innehatte, in einem Beitrag der „Herder Korrespondenz“.
Debatten über den Nahostkonflikt und Kritik an Israel werden dies zeigen, aber auch Diskussionen über die Folgen des Kolonialismus, auf die die Kirchen des Südens drängen. Sie fordern mehr Gerechtigkeit beim Verteilen von Lebensmitteln und Medizin, wie etwa den Zugang zu Impfstoffen gegen Corona.
Acht Bühnen in der Stadt
Parallel organisieren die Stadt und die Landeskirche ein Kultur- und Begegnungsprogramm. Vom 31. August bis 8. September sind auf acht Bühnen in Kalrsruhe und in öffentlichen Gebäuden 250 Veranstaltungen geplant. Es gibt Konzerte, Ausstellungen und Vorträge. Landesbischöfin Springhart wird an drei Abenden auf dem Marktplatz unter anderem mit dem Schauspieler Samuel Koch, dem Modedesigner Harald Glööckler und Klimaaktivisten von Fridays for Future diskutieren. Nach den Worten von Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup soll von der Stadt ein Zeichen für Dialog und Frieden ausgehen.