„Die Szene ist selbstbewusster“
Das Gespräch: Daria Holme blickt auf fünf Jahre Eintanzhaus in Helmut Strifflers berühmter Trinitatiskirche – und in die Zukunft
Von Ralf-Carl Langhals
Sie wirkt entspannt und fröhlich in diesem langen und heißen Sommer. Vorbereitungen und Vereinbarungen sind getroffen. „Alles gut“, sagt Daria Holme. Das Jubiläum und der September können kommen. Sie blickt auf fünf Jahre Eintanzhaus, das sie zunächst mit Mitbegründer Eric Trottier und seit 2019 alleine leitet. Natürlich in Abstimmung und mit Hilfe eines engagierten Kernteams, das sich mittlerweile zu acht in fünf Personalstellen an Mannheims ungewöhnlichster Theaterspielstätte etabliert hat.
Etabliert hat es sich auch im Netz der Freien Theaterszene von Stadt, Land und Region – das Eintanzhaus im Architektur-Kleinod Helmut Strifflers ist künstlerisch wie kulturpolitisch eine Adresse mit Klang.
„Es war ein Abenteuer von Anfang an“, sagt Holme über den langen Weg eines am Alten Messplatz, am „Einraumhaus“ räumlich wie konzeptionell angelehnten Eintanzhauses, das zunächst Spielstätte für „La Trottier Dance Collective“, die Compagnie von Impulsgeber und Mitbegründer Eric Trottier sein sollte, bis zum Bezug der Trinitatiskirche.
Aber wie es so ist, was sie zusammen aufgebaut haben, haben sie in der Praxis dann nicht lange zusammen geleitet. Eric Trottier zeigt zwar noch jährlich zwei seiner Projekte im Eintanzhaus, doch die Künstlerische Leitung hat Daria Holme seit 2019 alleine inne.
Lange tanzte er um die Trinitatiskirche herum, der Tanz. Schon im letzten Jahrtausend sprach diese Zeitung mit Dekan Ulrich Fischer, später dann, als Kevin O’Day ab 2002 Interesse an einer externen, atmosphärischen Zusatz-Spielstätte für sein Nationaltheater-Ballett suchte, auch mit seinem Nachfolger Günter Eitenmüller. Zunächst lag es gar nicht an der Kirche, dass das von 1956 und 1959 nach Plänen von Helmut Striffler erbaute Ausnahmebauwerk nicht profanisiert werden konnte, sondern am Wunsch des renommierten Architekten selbst, der sein in Architektenkreisen weltweit geschätztes Werk widmungsgemäß erhalten wissen wollte.
Erst unter dem aktuellen Dekan Ralph Hartmann wurde das evangelische Gotteshaus zum Eintanzhaus. Gesprochen wurde viel bis 2017: mit dem Denkmalschutz, dem Dekanat, der Familie Striffler, dem Bauausschuss, der Stadt, den Künstlern.
Eine Million hatte die Evangelische Kirche Mannheim (EKMA) in die Hand genommen, Stadt und Land sorgten für Projekt- und institutionelle Förderung. Ein kulturpolitisches Vorzeigeprojekt ist es geworden, bestaunt, bewundert und beneidet in Stadt und Land.
Ohne Tücken ist das atmosphärische Wunderwerk immer noch nicht: der Turm eingerüstet, das Schiff schwer beheizbar – und für die Evangelische Kirche trotz Miete immer noch ein finanzieller Kosten- und Haftungsfaktor. Dennoch gilt das Eintanzhaus als gelungene Verbindung von denkmalgeschützter Architektur und modernem Bühnenbetrieb.
Das lange Vertrauensverhältnis zur EKMA sieht Holme mit der nun erfolgten Vertragsverlängerung bestätigt, die bisher vertraglich nur als Zwischennutzung für fünf Jahre nach der technisch notwendigen Instandsetzung festgehalten war. Nach drei Jahren wollte man sich zusammensetzen, um sich gegenseitig Planbarkeit zu gewähren. Es funktioniert gut, auch weil beide Vertragspartner nicht aneinandergekettet sind: „Wir könnten mit unserem Konzept theoretisch jederzeit raus aus dem Denkmal, das schnell wieder Kirche werden könnte.“
Dass man zum fünften Geburtstag nun auch die freiwerdenden Verwaltungsräume im (von der EKMA längst verkauften) Nachbaranwesen anmieten konnte, freut Holme besonders, zum einen, weil es baulich zusammengehört und zum anderen, weil dadurch auch ein lange vermisster Probenraum innerhalb des baulichen Ensembles hinzukommt.
Als die Antwort „spannende Kunst“ auf die Frage nach dem Erfolgskonzept nicht genügt, muss Daria Holme nicht lange überlegen, um argumentativ nachzulegen. Dass das Abenteuer von allen Seiten vernünftig angegangen wurde, mit klaren Absprachen, Zeitfenstern, Rücksprachen und Modalitäten, hält Holme rückblickend für absolut richtig: „Wir kamen ja organisatorisch aus dem Nichts, uns fehlten Strukturen und Mitarbeiter. Für ein Unterfangen dieser Größe war das schon ein großer Vertrauensvorschub, selbst mit einem guten Konzept“, ordnet sie die Entstehung ein und spricht von einem „für alle Seiten transparenten Verfahren.“ Eine vom Kulturamt verordnete externe Evaluation der Jahre 2017-2020 erwies sich zudem als Glücksfall mit Bestnoten.
Was das Eintanzhaus für Mannheims Freie Szene bedeutet? „Die Szene ist gewachsen – und vor allem selbstbewusster geworden.“
Grund zu Feiern gibt es also genug, aber wie wird gefeiert? „Vor allem draußen! Und mit Publikumsbeteiligung“, verspricht Holme. Etwa am 10. September (11 und 16 Uhr) kostenfrei mit dem Kollektiv Klaus aus Wien, das mit „Pop-up Zebra“ den öffentlichen Raum mit Bewegungsvokabular für jedermann erobert. Oder auch von 14. bis 17. September vier Tage lang mit „Out and around“ auf dem Eintanzhaus-Vorplatz mit Tanz, zeitgenössischem Zirkus, Physical Theatre, Musik und Bildender Kunst.
Tim Behrens Kölner Gruppe Overhead Project wird mit „My Body is Your Body“, einer „Blick-Arena“ , die Rolle des Zuschauers und seiner Blickachsen näher ergründen (16. September, 20 Uhr).
Und was passiert am 30. September selbst, dem offiziellen Jubiläumstag? Daria Holme grinst: „Ganz ehrlich? Da tanzen wir selber. Und feiern einfach nur.“