Badische Zeitung Elztal, 06.08.2022

 

„Es geht auch ohne mich“

BZ-Interview mit Pfarrerin Barbara Müller, die Mitte August ein Sabbatjahr beginnt / Sie will zur Ruhe kommen, aber auch reisen

Elzach. Am 14. August wird die Pfarrerin der beiden evangelischen Kirchengemeinden Oberprechtal und Elzach, Barbara Müller-Gärtner, ihren vorerst letzten Gottesdienst halten. Danach nimmt sie sich eine einjährige Auszeit, ein so genanntes Sabbatjahr. Kurt Meier sprach mit ihr.

BZ: Frau Müller-Gärtner, Sie wollen uns also verlassen?
Müller-Gärtner: Nein, soweit sind wir noch nicht! Wir bleiben weiter in Oberprechtal wohnen. Aber ich mache ein Jahr Pause vom Arbeitsalltag. Ab dem 1. September 2023 bin ich wieder voll da, wie bisher.

BZ: Warum nehmen Sie ein Sabbatjahr?
Müller-Gärtner: Sabbat wird schon in der Bibel beschrieben als der Tag, an dem die Menschen Abstand vom Alltag nehmen, zur Ruhe kommen und den Tag voll und ganz Gott widmen sollen. Es ist also wesentlich für uns Menschen, Pausen einzulegen, um zu sich selbst zu finden, offen zu werden für neue Eindrücke, vielleicht auch neue Perspektiven zu entdecken. Der Dienst einer Pfarrperson sieht eine Sieben-Tage-Woche vor. Man ist also, abgesehen von den Urlaubstagen, praktisch pausenlos für die Menschen da und ansprechbar. Das ist nicht immer einfach und geht auch an die Substanz.

BZ: Haben Sie Pläne für Ihr Sabbatjahr?
Müller-Gärtner: Die Vorstellung, ein ganzes Jahr Freiraum zu haben, kein neues Projekt zu machen und keine Termine wahrnehmen zu müssen, tut einfach gut. Mein Mann und ich lassen das Leben zunächst mal auf uns zukommen. Wir können auch etwas entspannter mit unserer familiären Situation umgehen: Je ein Elternteil von uns lebt noch. Auch ein Onkel, um den wir uns kümmern. Alle drei sind hoch betagt und leben im Raum Heidelberg. Das ist nicht allzu weit, mein Mann fährt auch jede Woche hin. Aber jetzt haben wir die Chance, mal länger als nur ein paar Stunden da zu sein. Und dann wollen wir uns auch die Freiheit nehmen, mit unserem Camper durch die Lande zu fahren. Ende 2025 werde ich in den Ruhestand gehen. Den wollen wir wahrscheinlich im Norden verbringen.

BZ: Was waren Ihre ersten Eindrücke, als Sie aus Niedersachsen in den Schwarzwald kamen? Und warum Elzach?
Müller-Gärtner: So ganz fremd war mir die Gegend ja nicht, mein Lehrvikariat habe ich in Emmendingen verbracht. Ich hatte die Wahl zwischen fünf freien Gemeindestellen im Süden. Da haben wir uns auch die Gegend angeschaut. Als wir durchs Elztal fuhren, hab ich zu meinem Mann spontan gesagt: Hier gefällt's mir, hier könnte ich mir vorstellen, zu bleiben, wenn es mit den Menschen passt. So ist es dann gekommen. Wir sind von Anfang an gut und herzlich aufgenommen worden. Dass die Kirchengemeinderäte und die Gemeinden sich für mich entschieden haben, hat mich sehr gefreut. Wir haben schnell Vertrauen zueinander gefasst und vieles miteinander auf die Beine gestellt. Als Pfarrerin ist man keine Alleinunterhalterin. Das Engagement der Kirchenältesten und vieler Gemeindemitglieder ist ungeheuer wichtig. Es ist ein gutes Miteinander, auch wenn die beiden Kirchengemeinden sehr unterschiedlich sind. Jede hat ihre Merkmale.

BZ: Der Beruf der Pfarrerin ist ja sehr vielseitig. Was sind Ihre Schwerpunkte?
Müller-Gärtner: Für mich ist der Beruf einer der schönsten, die ich mir vorstellen kann. Ich lerne Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen kennen. Seelsorge ist mir wesentlicher Auftrag, Ansprechpartnerin zu sein für die Menschen. Da spielt die Konfession oder die Religion erstmal keine Rolle. Wir begleiten Menschen in ihren schönsten Lebensabschnitten, bei Taufen, Konfirmationen oder Hochzeiten, aber auch in ihren schwersten Stunden. Sterbebegleitungen sind ein wichtiger Bereich. Wertvoll ist mir auch die Kinder- und Jugendarbeit. In unseren weit verstreuten Gemeinden ist es wichtig, Religionsunterricht im Schulzentrum Oberes Elztal zu geben. Und ich bin jedes Jahr gespannt auf den neuen Konfirmandenkurs.

BZ: Wie ist die Zusammenarbeit mit den katholischen Kirchengemeinden?
Müller-Gärtner: Ich bin von Anfang an offen empfangen worden. Wir arbeiten in vielen Bereichen eng zusammen, zum Beispiel in der gemeinsamen Trägerschaft der kirchlichen Sozialstation Oberes Elztal und im kirchlichen Sozialausschuss für Menschen in Not. Wir feiern ökumenische Gottesdienste oder die ökumenischen Friedensdekaden. Regelmäßig treffe ich mich mit den katholischen Hauptamtlichen zur Dienstbesprechung. Dieser vertrauliche Austausch tut uns als Kirchen vor Ort gut.

BZ: Was waren Ihre schönsten und was Ihre schwersten Erlebnisse?
Müller-Gärtner: Eine außerordentliche Zeit war die Corona-Pandemie. Einfach jemanden besuchen, sich treffen, Beerdigungen, Gottesdienste feiern, Konfitreff, Besuchskreisarbeit, Kirchengemeinderatssitzungen – einfach alles war anders. Wir haben in den zwei Jahren jede Woche über 80 schriftliche Hausgottesdienste verschickt oder ausgetragen. So konnten die Menschen zuhause feiern. Viele habe ich selbst ausgetragen. Viele Treffen fanden digital statt. Auch an die Zoom-Gottesdienste denke ich und die im Kirchhof mit den Posaunen oder dem Keyboard. Das war anstrengend für alle, keine Frage. Es hat Veränderungen im Gemeindeleben beschleunigt und Neues gebracht. Schöne Dinge gab es viele: die Gottesdienste am Schützenhaus in Oberprechtal zu Himmelfahrt zum Beispiel, die regionalen Tauffeste an der Elz oder im Garten. Und natürlich die Neugestaltung des Altarraums der Johanneskirche. Der Künstlerwettbewerb für die Gestaltung von Altar, Kanzel und Taufbecken war inspirierend. Seit 2015 wird das Gemeindehaus in Oberprechtal als Wohnraum genutzt. Derzeit leben dort zwei Familien, die ursprünglich aus Syrien kommen. Das alles geht nur im Kontakt mit den Menschen hier. Leben, auch das mit Kirche, geht nur miteinander. Je mehr Menschen mitmachen, umso besser.

BZ: Wer wird Ihre Arbeit übernehmen?
Müller-Gärtner: Die wird auf viele Schultern verteilt. Ich bin froh und dankbar für die Kirchenältesten, die Mitarbeitenden und die Unterstützung im Dekanat. Die Entscheidung für ein Sabbatjahr fällt man ja nicht aus einer spontanen Laune heraus. Dafür sind Gespräche, Absprachen und Zustimmungen notwendig. Einen Teil des Religionsunterrichts wird Susanne Bannholzer übernehmen oder es besteht die Möglichkeit, als Gast am katholischen Unterricht teilzunehmen. Verabredet ist, dass Pfarrer Ulrich Henze ab dem 1. Oktober als Springer im Pfarrdienst in beiden Kirchengemeinden Ansprechpartner sein wird. Der Konfitreff findet im kommenden Jahr gemeinsam mit Waldkirch statt. Ich bin sicher: Es geht auch ohne mich.

Barbara Müller-Gärtner, Jahrgang 1961, wuchs in Meckesheim auf. Sie studierte Theologie in Heidelberg und Tübingen. Ihr Lehrvikariat machte sie unter anderem in Emmendingen, ihr Pfarrvikariat in Waldshut und Wertheim. 1993 trat sie ihre erste Pfarrstelle im Taubertal an. Von 1999 bis 2011 war sie Pastorin in Brockum (Niedersachsen). 2011 kam sie nach Elzach.