Südkurier Konstanz, 15.07.2022

 

Nach der Geburt ist vor der Taufe?

Zahl der Taufen bei Kindern sinkt. Eltern erzählen, was für sie das Ritual bedeutet

VON MONA LIPPISCH

Überlingen – Schönes Sommerwetter, mit der Familie im Garten, Musik und gutes Essen: Die Tauffeier für den kleinen Quinn Carlos Eisele und seine Halbschwester Fienna Schulz war aus Sicht der Eltern ein Erfolg. „Für uns war es toll, einfach ein stimmiges Fest“, blickt Christine Strohmaier-Eisele zurück.

Schon kurz nach der Geburt von Quinn hat sich die 40-Jährige mit ihrem Mann Oliver Eisele zum Thema Taufe betraten. Dieser sagt ehrlich: „Ich wäre nicht auf die Idee gekommen.“ Im Gespräch seien sich die Eltern dann schnell einig gewesen und haben sich für eine Taufe, genauer eine Gemeinschaftstaufe, entschieden.

Quinn und seiner Halbschwester soll der gleiche Weg offenstehen, den sie einmal gegangen sind – so die Prämisse der Eltern. Sowohl Oliver als auch Christine Strohmaier-Eisele wurden getauft, sind später aber aus der Kirche ausgetreten. „Es ist leichter, später auszutreten als einzutreten“, so die Meinung der Mutter. „Wir wollten unseren Kindern nichts vorenthalten, nur weil sie es zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht selbst entscheiden können.

Ein weiterer Grund, weshalb sich die Eltern für die Taufe entschieden haben, sei die Kultur, mit der die Kinder aufwachsen. „Weihnachten, Ostern, Pfingsten sind alles christliche Feste, die wir feiern. Sie sollen verstehen, warum es diese Feste gibt“, sagt Oliver Eisele.

Deswegen befürworteten die Eltern die Taufe – obwohl sie selbst keine Kirchenmitglieder mehr sind. Doch ist es überhaupt möglich, sein Kind in einem solchen Fall taufen zu lassen? Regine Klusmann, Dekanin der Evangelischen Kirche Überlingen, erklärt: „Jeder kann getauft werden. Wichtig ist nur, dass die Taufpaten Kirchenmitglieder sind.“ Sie geben bei der Taufe das Versprechen ab, das Kind christlich zu erziehen.

Dieses Versprechen gaben die Taufpaten auch bei der Taufe für Quinn und Fienna ab. Dekanin Regine Klusmann war im Garten der Familie Strohmaier-Eisele dabei und gab den Kindern den Segen Gottes. „Viele Taufen finden mittlerweile im Freien statt, die Zeremonie muss nicht zwingend in der Kirche sein“, sagt Klusmann.

Längst ist die Taufe kein gesellschaftliches Muss mehr. Laut einer Statistik der Evangelischen Kirche in Deutschland wurden 2021 rund 115 000 Menschen in Deutschland getauft. Die Zahl war damit zwar höher als im ersten Lockdown-Jahr, erreicht bislang aber längst nicht das Niveau vor der Corona-Krise. Eine Tendenz, die Dekanin Klusmann bestätigt. Ihren Angaben zufolge werden in Überlingen jährlich etwa 40 Kinder durch eine Taufe in die Evangelische Kirche aufgenommen. Vor zehn bis 15 Jahren seien es weit mehr Kinder gewesen.

Auch Celia Glasse aus Überlingen hat sich gegen eine Taufe ihres Sohns Jonas entschieden. „Ich möchte kein Bündnis machen, mein Kind biblisch zu erziehen. Ich möchte nicht, dass da ein Zwang dahintersteht“, begründet die 32-Jährige. Sie ist der Meinung: Egal wie christlich ein Kind erzogen wird, geht es am Ende immer noch seinen eigenen Weg. Und so soll ihr Sohn später selbst entscheiden dürfen, ob er in die Kirche eintreten möchte oder nicht.

Glasse wurde streng christlich erzogen. Als Teil einer exklusiven Brüdergemeinde der Evangelischen Kirche wachte sie jeden Morgen mit der Bibel auf, im Glauben, die Erde sei nur 6000 Jahre alt. „Später gab es für mich keine kurzen Röcke, keine Partys, keinen Kuss, geschweige denn Sex vor der Ehe“, erzählt Glasse ehrlich. Wie sie heute beschreibt, sei ihr das alles „zu eingreifend in die Persönlichkeit“ gewesen. Deswegen trat Glasse schließlich aus der Brüdergemeinde aus.



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