Mannheimer Morgen Stadtausgabe, 16.07.2022

 

Ausnahmen nur aus „seelsorglichen Gründen“

Glaube: Die Mannheimer Stadtdekane hinterfragen die Motive der kirchlichen Trauung von Christian Lindner und Franca Lehfeldt, die beide keiner Kirche angehören

Von Tanja Capuana-Parisi

Über die Hochzeit von Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner und der Journalistin Franca Lehfeldt kürzlich auf Sylt hat es jede Menge Diskussionen gegeben. Nicht nur wegen der Frage, ob ein so großes, mehrtägiges Fest in diesen Krisen-Zeiten angemessen ist. Sondern auch wegen der kirchlichen Trauung in der St. Severin-Kirche in Keitum. Auch diese kirchliche Trauung ist umstritten, denn Bräutigam und Braut sind keine Kirchenmitglieder. Unsere Redaktion hat die beiden Mannheimer Stadtdekane gefragt: Würden sie Paare trauen, die keine Mitglieder sind?

„Zunächst einmal sind die allermeisten Trauungen Hochzeiten unter Katholiken oder konfessionsverbindende Ehen unter Christen“, sagt der katholische Dekan Karl Jung. „Dass ein Paar um eine Trauung bittet und beide nicht Mitglied einer Kirche sind, kommt sehr selten vor. Wenn es in den Gesprächen mit dem Paar gelingt, einen neuen Blick auf Gott und die Kirche zu öffnen, ist eine Segensfeier vorstellbar.“

Der evangelische Dekan Ralph Hartmann wünscht den frisch Vermählten zuerst einmal alles Gute. „Und ich wünsche ihnen Gottes Segen für ihr Miteinander“, sagt er. „Dann frage ich mich allerdings, ob das stimmig ist, die Kirche für eine Trauung in Anspruch zu nehmen, wenn man selbst nicht Mitglied ist.“ Formal sei es so geregelt, dass für eine kirchliche Trauung mindestens eine oder einer der beiden Kirchenmitglied ist. „Das halte ich für richtig und stimmig, es sollte schon ein Bezug zu unserer Kirche sichtbar sein“, betont Hartmann. Von dieser Regel seien Ausnahmen aus „seelsorglichen Gründen“ möglich. „Ob und inwieweit solche Gründe vorliegen, kann ich nicht beurteilen, aber ich verstehe, dass viele daran zweifeln.“

Mancher Bürger ist davon überzeugt, dass die Trauung aufgrund eines Promibonus vollzogen werden konnte. Jung findet jedoch, dass man sich vor Pauschalurteilen hüten sollte. „Die Gespräche und damit die persönlichen Lebensgeschichten sind hier entscheidend – prominent oder nicht“, antwortet er. „Ich kann mir das durchaus vorstellen, dass sich der beziehungsweise die Einzelne oder vielleicht das Paar gemeinsam dadurch entschließen, wieder Teil einer Kirche zu werden“, sagt Jung. „Kirche wird dadurch mit einer positiven Erfahrung verknüpft.“

Auch sein evangelischer Kollege betont, dass er die persönlichen Hintergründe von Lindner und Lehfeldt nicht kenne. „Womöglich liegen diese im Bereich des Seelsorgegeheimnisses. Ich finde, die Prominenz des Paares darf kein Argument für die Gewährung einer Ausnahme und für die Trauung sein“, sagt er. „Eher sollten wir gerade wegen der Prominenz besonders sensibel dafür sein, welche Wirkung wir erzielen.“ Hartmann würde die kirchliche Trauung ohne besondere persönlich-seelsorgliche Gründe ablehnen. „Das habe ich auch schon mehrmals so gehandhabt“, sagt er – und erklärt, dass in jedem Gottesdienst alle Menschen, die da sind, gesegnet werden – unabhängig von ihrer Kirchenmitgliedschaft. Das Gleiche gelte für die Seelsorge und Beratungsangebote. „Eine kirchliche Trauung ist wegen des öffentlichen, auf das Traupaar zugeschnittenen Charakters etwas anderes,“ betont er.