„Das PGW ist nichts für Feiglinge“
Oberkirchenrat Urs Keller findet deutliche Worte zu 70 Jahre Paul-Gerhardt-Werk / Festfreude trotz zahlreicher Herausforderungen
OFFENBURG. Unter dem Motto „Viel vor. Viel erreicht“ wurde am Sonntag das 70. Jubiläum des Paul-Gerhardt-Werkes (PGW) mit Festgottesdienst und einem bunten Programm gefeiert.Von Barbara Puppe
Seit Corona war der runde Geburtstag das erste Fest für die Einrichtung, umso mehr freute sich Silke Boschert, Vorständin und Geschäftsführerin Diakonie Mittelbaden, über zahlreiche Hausbewohner, Mitarbeitende und Gäste, die den Tag mit einem bunten Programm rund um das Oberrheinische Pfleg-und Therapiezentrum in der Louis-Pasteur-Straße und im Brünnlesweg feierten. Gut gesorgt war für das leibliche Wohl mit Sommercocktails, Mittagessen, Kaffee und Kuchen, das Acoustic-Duo Franknwolf lieferte mit Pop-und Rocksongs für Stimmung, es gab einen Flohmarkt, Infostände zur Situation in der Pflege und zur Pflegeausbildung, auch die Fotoausstellung in der Paul-Gerhardt-Kirche „Gepflegt. Gesegnet alt werden“ lud zur Betrachtung ein.
Den Auftakt machte ein Festgottesdienst mit Oberkirchenrat Urs Keller, Karlsruhe, Dekan Frank Wellhöner und Gabriele Schmidt-Geiger in der Paul-Gerhardt-Kirche. Die musikalische Begleitung übernahmen Christof Wettach (Leitung) und der Posaunenchor. Parallel dazu gab es einen ökumenischen Gottesdienst im Bonhoefferhaus für die Heimbewohner mit Pfarrerin Jutta Wellhöner und Pfarrer Eberhard Murzo.
Das Jubiläum war auch Anlass für Rückblick, Dank und Ausblick: Aus kleinen Anfängen in den 1950er-Jahren mit einer Pflegeeinrichtung in der Offenburger Oststadt ist das PGW mit dem Dietrich-Bonhoeffer-Haus, dem Paul-Gerhardt-Haus, dem Wichern-Haus, dem Haus Elia, dem Pflegeheim Steinbach, der Klinik für Geriatrische Rehabilitation, dem Senioren-Service-Wohnen, der Tagespflege Bohlsbach und Offenburg, der Diakonie- Sozialstation Offenburg sowie der Diakonie-Sozialstation Baden-Baden beständig gewachsen. „Ich freue mich immer zu hören, dass das PGW eine in Offenburg und seit 2020 in Baden-Baden unter dem Namen Diakonie Mittelbaden eine nicht wegzudenkende, verlässliche, professionelle und christlich geprägte Institution ist“, betonte Boschert. „Pflege allein genügt nicht“, hat sich das PGW auf die Fahnen geschrieben. Mit moderner Pflege und innovativen Dienstleistungen solle Senioren und Seniorinnen wahre Lebensqualität im Alter geboten werden. „Auch wenn sich die Zeiten ändern, unseren Werten und unserem Anspruch bleiben wir treu“, so die Vorstandschefin. Neben der normalen Grundversorgung brauchten die Menschen am Lebensabend jenseits von Effizienz und Zeitdruck jemanden, der mal zuhört, da ist und die Bedürfnisse ernst nimmt. In 70 Jahren sei es trotz zahlreicher Höhen und Tiefen gelungen, Tradition lebendig zu halten und neue Wege zu gehen, auf Augenhöhe mit den Bewohnern und Angehörigen, im Team, mit Partnern und Spezialisten.
Momentan stehe das Gesundheitssystem vor großen Herausforderungen, die Covid-Pandemie habe die Grenzen deutlich gezeigt, wie Boschert in der Festschrift weiter ausführte. Es bedürfe neuer grundlegender Veränderungen, um die alternde Gesellschaft in Würde zu begleiten und zu unterstützen. Im PGW setzte man sich durch verschiedene Kampagnen für eine bessere nachhaltigere, bedarfsgerechte und bezahlbare Pflege ein, ebenso für faire Bezahlung und Freizeitsicherung für Mitarbeitende, gezielte Förderung von Nachwuchskräften durch fundierte Ausbildung, Praktikantenprogramme, gezielte Weiterbildungskonzepte, aber auch für Akademisierung der Pflege.
Mit Dank und berechtigtem Stolz werde der Geburtstag gefeiert, betonte Oberkirchenrat Urs Keller in seiner Festpredigt. Diakonie, das PGW sei nichts für Feiglinge und Stubenhocker, gelinge nur im Miteinander und sei angesichts der Demographie und des Fachkräftemangels größte unternehmerische Herausforderung. Aktuell sei die bedrängende Frage, wie man die enorme Kostensteigerung durch Inflation und Energie, die den Einrichtungen der gesamten Wohlfahrt enorm zu schaffen mache, abpuffern könne. So wie einst Abraham, der Urvater des Glaubens, im hohen Alter mutig aufgebrochen sei, habe man auch im PGW „viel erreicht und viel vor“, wolle Neues ausprobieren: Neben Anstalts-, Stationen -, Wohnbereichs-, Hausgemeinschaftskonzepten, neuen Wohnformen, sozialräumlicher Orientierung und vielem anderen werde es auch um künstliche Intelligenz gehen, um Digitalisierung, die alle Lebensbereiche durchdringe.
Mit Einrichtungen, der Forschung und externen Partnern sammle die Diakonie Baden hier Erfahrungen. Gott fände zu biblischen Zeiten wie auch heute viele Wege, um zu den Menschen zu sprechen, am deutlichsten spräche er durch unsere Mitmenschen, die auf Hilfe, Begleitung und Unterstützung angewiesen sind, so der Oberkirchenrat.