BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN Karlsruhe, 06.05.2023

 

Eine Welt ohne Heilsbotschaft

Günther Diehl, Bietigheim/Baden - Leserbrief

Zum Werk „Genesis“ in den Karlsruher U-Strab-Stationen:

Markus Lüpertz arbeitete sieben Jahre an seinem Monumental-Zyklus „Genesis“, bestehend aus 14 Keramik-Reliefs, präsentiert in sieben Stationen der Karlsruher Untergrundbahn. Der Künstler musste insgesamt rund 14 Tonnen Ton kneten, was bereits eine gewaltige körperliche Herausforderung war. Für den nunmehr 82-Jährigen, eingedenk seiner letzten Lebensphase, ist dieser Karlsruher Keramik-Zyklus biografisch zu seinem Vermächtnis geworden.

Und da stellt sich jenseits der Pro-Kontra-Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten die Kern-Frage, die genau genommen eine Doppelfrage ist: Welche tradierten Ideen haben den Künstler inspiriert? Und: Welche Weltanschauung ist in den Keramik-Reliefs eingeknetet und eingebrannt? Zur Beantwortung hilft der viermal geänderte Zyklus-Titel. Der erste Titel lautete „Genesis – die sieben Tage des Herrn“, somit ein deutlicher Verweis auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel. Der letzte Titel lautet lapidar „Genesis“ (altgriechisch Geburt, Entstehung, Uranfang). Dabei hat sich Lüpertz von der jüdisch-christlichen Bibel- und Denktradition entfernt. Denn seine 14 Keramik-Reliefs enthalten weder einen (monotheistischen) Schöpfer-Gott, noch ein Lob auf dessen Schöpfung. Es ist eine Welt ohne Heil, ohne Heilige, ohne Heilsbotschaft.

Lüpertz präsentiert eine heidnisch-archaische Welt voller Dämonen, eine polytheistische Welt der Götter, Halbgötter und Helden mit magischen Kräften, triebhaft, gewalttätig und machtgierig. Er ließ sich dabei vom Gilgamesch-Epos inspirieren, das etwa ein Jahrtausend älter als der Schöpfungshymnus der Bibel ist. Auch der Herdengott Schakkan und die Muttergottheit Aruru gehören zum Epos. Eine weitere Inspirationsquelle ist Dantes „Comedia“. Doch Lüpertz zitiert daraus nicht den Paradies-Berg, sondern nur die Unterwelt mit dem „Badesee der Toten“. Außerdem in einer Haltestation am Marktplatz: „Charon rudert und Dante staunt“ sowie „Salome verzückt den Hades“. Alle diese heillosen Inhalte sind heidnisch-antichristlich.

Der Typus der Lüpertz-Figuren besteht aus klobigen Klumpen, ist untersetzt und hässlich. Expressive Hässlichkeit ist das Markenzeichen dieses Künstlers. Und so ist es nur konsequent, dass das Schöpfungswunder Pfau mit seinen eleganten Formen und fantastischen Farben im Karlsruher Zyklus, Haltestation „Durlacher Tor“, schwarz dargestellt ist und das geschlagene Rad fahlfarbig.

Wir leben in einer Demokratie mit Meinungsvielfalt. Dass aber christliche Eliten wie die frühere Landesbischöfin und die beiden Karlsruher Dekane diesen de facto antichristlichen Zyklus loben, ist kaum zu glauben. Auch die Politik mit ihrem Wertesystem, allen voran der Oberbürgermeister, ist des Lobes voll. Der Gipfel der Verkennung jedoch war die Vernissage-Würdigung dieses keramisch bekennenden Neuheidentums ausgerechnet in der evangelischen Stadt- und Landeskirche.

Abschlussfrage: Wie kommt es selbst bei unseren Eliten zu einer solchen Verkennung? Wir leben in Zeiten immer hektischerer Bilderfluten, die zu einem Schnellsehen, das heißt zu einem Flachsehen und Flachdenken, erziehen. Die Folge ist ein visueller Analphabetismus.