Virtuelle Pflege ist Thema der Zukunft
Pflegeberufe sollen interessanter werden Evangelische Altenhilfe nimmt Vorreiterrolle einVON ROLAND SPRICH
ST-GEORGEN.REDAKTION@SUEDKURIER.DE
St. Georgen – Wie funktioniert virtuelle Pflege? Was ist das überhaupt und wie profitieren Pflegebedürftige und Mitarbeitende in Pflegeeinrichtungen davon? Diese und viele weitere Fragen wurden beim ersten Virtual-Care-Congress erörtert. Der Softwareentwickler Imsimity, die evangelische Altenhilfe St. Georgen und die Hochschule Furtwangen (HFU) brachten Licht und Klarheit in ein Thema, dem sich früher oder später ein Großteil der Bevölkerung stellen muss. Entweder aufgrund eigener Pflegebedürftigkeit oder als pflegender Angehöriger.
Dass die digitalen Anwendungsmöglichkeiten keine Mitarbeiter in Pflegeberufen ersetzen werden, sondern bestmöglich und zum Wohle sowohl der Mitarbeitenden als auch der pflegebedürftigen Personen unterstützen und ergänzen, darauf wiesen die Referenten eindringlich hin. „Mit der Digitalisierung in der Pflege wollen wir die Pflegeberufe für die nachfolgenden Generationen attraktiver machen“, erklärte der Imsimity-Geschäftsführer Martin Zimmermann. Mit der evangelischen Altenhilfe St. Georgen habe man einen innovativen Kooperationspartner gefunden, für den das Thema seit langem auf der Agenda stehe.
Markus Schrieder, Geschäftsführer der evangelischen Altenhilfe, die drei Pflegeheime und eine Tagespflegeeinrichtung betreibt, sagte, man wolle „aus der Ecke raus, dass es dem Pflegebereich nur schlecht geht.“ Natürlich bestehe Fachkräftemangel, das sei in anderen Branchen aber ebenso der Fall. „Wir sind nicht die am Boden liegende Pflege, aber wir brauchen neue Rezepte und dafür muss man halt auch mal in andere Küchen schauen“, verbildlichte er, wie sich die evangelische Altenhilfe, die eine Vorreiterrolle weit über die Region hinaus hat, intensiv mit neuen Möglichkeiten der Ausbildung und Mitarbeitergewinnung befasst.
Ein Schwerpunkt ist die Ausbildung angehender Pflegekräfte mittels virtueller Realität. In einer VR-Lerninsel können angehende Pflegekräfte lernen, die Bewohner medizinisch zu versorgen. Wie das geht, erläuterten Michael Werler und Felix Obergfell, Pflegedienst- beziehungsweise Ausbildungsleiter bei der evangelischen Altenhilfe. „Wenn ein Handgriff noch nicht richtig sitzt, oder es sprachliche Probleme mit ausländischen Mitarbeitern gibt, kann ein Vorgang ganz einfach wiederholt werden“, so Werler.
Martin Heckelmann von der Hochschule in Berlin, der per Video zugeschaltet wurde, widerlegte etliche Vorurteile, die dem Einsatz digitaler Möglichkeiten im Weg stehen. Neben dem Irrglauben, dass die Technik die Mitarbeitenden ersetze, sei es auch nicht der Fall, „dass Bewohner und Mitarbeitende mit der Technik nicht klarkommen. Die Geräte werden immer intuitiver und besser. Und unterschätzen sie die Bewohner nicht.“ Der Professor nannte einen weiteren Grund, weshalb die Digitalisierung im Pflegebereich künftig unerlässlich sein wird: „Wenn es dadurch möglich ist, dass Menschen länger zuhause bleiben können und nicht ins Pflegeheim müssen, entlastet das auch die Krankenkassen.“ Hier sieht Markus Schrieder von der evangelischen Altenhilfe deutliche Veränderungen auf die Gesellschaft zukommen. „In fünf bis zehn Jahren wird es ohnehin nicht mehr so einfach möglich sein, einen Platz in einem Altenheim zu bekommen.
Bürgermeister Michael Rieger zollte der Innovationskraft der evangelischen Altenhilfe großen Respekt. “Wer morgen noch am Markt bestehen will, muss am besten gestern schon handeln“, erklärte er.
Der Weg in die Zukunft
Am ersten virtuellen Hilfekongress (VCC) nahmen rund 150 Personen in Präsenz oder per Videozuschaltung teil, darunter Klinikverbände mit eigenen Pflegeschulen und Stiftungen. Die Firma Imsimity ist bereits seit 2009 mit virtuellen Lernanwendungen unterwegs. Einer der ersten Kooperationspartner ist das Thomas-Strittmatter-Gymnasium, wo ein Cyber-Classroom eingerichtet wurde.