Multifunktional, kreativ und modern
Die Evangelische Landeskirche muss sparen – bei ihren Gebäuden und beim Personal. Wie sich der Strukturwandel vor Ort in den Kirchengemeinden auswirkt, ist derzeit Thema bei Gemeindeversammlungen – auch in Endingen.
Endingen/ Riegel Die Einführung der Kooperationsräume im evangelischen Kirchenbezirk bringt der Kirchengemeinde Riegel-Endingen deutliche Veränderungen. Sie wird sich nach Einschätzung von Pfarrerin Anja Bremer innerhalb der nächsten fünf Jahre vom Gemeindehaus in Riegel und der Kirche in Endingen trennen müssen. Auch beim Personal sind ab 2036 Einsparungen vorgesehen im Kooperationsraum, dem auch die Kirchengemeinden Königschaffhausen-Leiselheim, Kenzingen und Malterdingen angehören. Informationen dazu gab es bei der jüngsten Gemeindeversammlung.
Rote Ampel für zwei Gebäude
Die Strukturreform der evangelischen Landeskirche folgt dem Zwang, aufgrund von Kirchenaustritten und sinkenden Kirchensteuereinnahmen zu sparen. Deshalb gibt es für kirchliche Immobilien eine Gebäudeampel: Rot bedeutet, dass es für das Gebäude keine Baufördermittel der Landeskirche mehr gibt, während grün gelistete Gebäude längerfristig erhalten werden sollen – auch mit Geld der Landeskirche. Auf grün steht die Ampel fürs Gemeindehaus Endingen und für die Kirche in Riegel, auf rot dagegen fürs Gemeindehaus in Riegel und die Kirche in Endingen. Der Bezirkskirchenrat berücksichtigte bei seinem Gebäudekonzept laut Anja Bremer zum einen den Sanierungsstau der Gebäude. Bei beiden „roten“ Gebäuden stünden Arbeiten an. Das gelte zwar auch für die Kirche in Riegel, aber es gehe eben auch um eine möglichst gerechte Verteilung innerhalb der Doppelgemeinde und um ausreichend Gebäudeflächen im Kooperationsraum. Sowohl in Riegel als auch in Endingen brauche es geeignete Räume fürs Gemeindeleben. Das barrierefreie Endinger Gemeindehaus habe sich schon während der „Winterkirche“ bewährt, während die Kirche nicht barrierefrei sei. Allerdings müssen beide „grünen“ Gebäude für multifunktionale Nutzung ausgestattet werden, betont die Pfarrerin im BZ-Gespräch.
Die Kirche muss sparen
Aktuell stehe die Kirchengemeinde finanziell gut da, so Anja Bremer, aber für den alleinigen Gebäudeunterhalt ohne Fördermittel reiche es nicht. Deshalb müsse man kreative Lösungen suchen und sich von zwei Gebäuden trennen – möglichst innerhalb der nächsten fünf Jahre. Erste Gespräche mit den Bürgermeistern seien im Gang, auch um zu klären, ob die Kommunen etwas von den Gebäuden brauchen könnten. Auch gelte es zu prüfen, wo eine Zusammenarbeit mit den katholischen Schwestergemeinden möglich wäre. Angesichts des Einnahmenrückgangs steht für die Pfarrerin fest, dass das Geld „in erster Linie für die Arbeit mit den Menschen eingesetzt werden sollte und nicht für den Erhalt von Gebäuden“.
Gespart werden soll langfristig auch beim Personal. Stimmt der Oberkirchenrat zu, wird für den Kooperationsraum zum 1. Januar 2036 die Diakonenstelle gestrichen. Außerdem wird dann eine der vier Pfarrstellen zur Hälfte für Bezirksaufträge eingesetzt. Wie die vier Deputate dann auf Pfarr- und Diakonenstellen verteilt werden, soll noch beraten werden. Die Strukturreform sei ein „schmerzlicher Prozess“, betont Anja Bremer, nicht zuletzt auch für all jene, die emotional zum Beispiel mit der Kirche in Endingen verbunden seien.
Ungewöhnliche Wege gehen
Aktuell hat die Kirchengemeinde rund 3150 Mitglieder, im vergangenen Jahr verzeichnete sie laut der Pfarrerin 79 Austritte – aus den unterschiedlichsten Gründen. Um die Bindung der Menschen an die Kirchengemeinde zu stärken, geht die Pfarrerin für Endingen und Riegel auch mal ungewöhnliche Wege, wie sie bei der Vorstellung ihrer bisherigen Arbeit in der Kirchengemeinde verdeutlichte. Mit 40 Taufen hatte die Kirchengemeinde 2022 die höchste Anzahl im Kirchenbezirk. Das führt Anja Bremer auch darauf zurück, dass die Taufe in erster Linie ein Familienfest für die Angehörigen sei. Bremer: „Die Leute kommen nicht mehr von allein.“ Ihre Antwort darauf ist Flexibilität: Tauffeiern und -gottesdienste feiert sie nicht nur in den Kirchen, sondern auch in den Gärten der Familien, in der Natur, am Brunnen oder im Pool. „Die Leute sind überrascht und begeistert“, berichtet sie. Und daheim im Garten seien die Eltern und Familien viel mehr gefordert bei der Gestaltung – Familienarbeit, die sich im traditionellen Kirchenraum erst einmal nicht ergebe. Eine so individuelle Feier bekomme für die Menschen auch eine größere persönliche Bedeutung. Dazu gehört für Anja Bremer auch die Einbeziehung der Kinder neben dem Täufling: Mit ihnen feiert sie Tattoopartys mit Abziehbildern.
Auch Trauungen will die evangelische Pfarrerin nicht auf den Kirchenraum beschränken und den Segen nur daran binden. Sie begleite die Menschen dahin, „wo sie sind“. Wer eine freie Trauung plane, meine damit oft nur die freie Ortswahl, so ihre Erfahrung; der kirchliche Bezug sei durchaus gewünscht. Dafür müsse Kirche offen sein. Bremer: „Man muss sich immer wieder neu darauf einlassen, aber das macht es für mich so spannend.“Auch bei Beerdigungen sei die individuelle Gestaltung wichtig, so Bremer: „Da können wir ganz nah am Menschen sein.“ Letztlich gehe es immer darum, „die beste Botschaft der Welt“ zu vermitteln. Der Trend gehe klar zu Urnentrauerfeiern – immer häufiger in der Ruhestätte Weinberg.
Knirpskirche und Willkommensbrot
Die Gottesdienste in Endingen und Riegel organisiert die Pfarrerin zusammen mit zwei Ehrenamtsteams. Ab Mai gibt es ein neues Angebot: die Knirpskirche. Sie richtet sich an Kinder bis fünf Jahre gemeinsam mit Eltern, Paten und Großeltern und findet alle zwei Monate im Endinger Gemeindehaus statt. Premiere ist am Samstag, 20. Mai, um 16 Uhr.
Neuzugezogene begrüßt die Kirchengemeinde dank der Spende eines Ehepaars mit einer Willkommenskarte – verbunden mit Brot und Salz. Das Willkommensbrot gibt’s mit Gutschein bei der Bäckerei Schwehr, das Salz hängt im Tütchen an der Karte dran. Bremer: „Wir wollen nicht missionarisch begrüßen, sondern uns einfach melden.“ Die Kontaktdaten liefert die Karte gleich mit – bis hin zum Instagram-Account.
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