Pforzheimer Zeitung, 15.04.2023

 

Belonging statt believing wird nicht helfen

Neue Chancen hat er eröffnet, der sogenannte Strategieprozess „ekiba 2032“, der 30 Prozent der landeskirchlichen Haushaltsmittel (Stellen, Gebäude) einsparen muss, so Dekan Dr. Glimpel beim Pressegespräch anlässlich der Bezirksvisitation. Das Weiten des Horizonts und grenzüberschreitende Zusammenarbeit seien dabei wichtige Begriffe. Nun denn, weiten wir den Horizont ein wenig, denn in diesen Proklamationen fehlen gerade entscheidende Informationen. Wie beispielsweise: Die Landeskirche hat durch ein sogenanntes Erprobungsgesetz die Gemeinden faktisch (entgegen ihrer eigenen Grundordnung, wo steht, dass sich die Landeskirche von den Gemeinden her aufbaut; in der Politik würde man so etwas als verfassungswidrig bezeichnen) entmündigt, sie ermutigt nicht etwa zu freiwilliger Kooperation, sondern schreibt vor, dass und auf welche Weise die Gemeinden zu kooperieren haben – und das in einem Synodenbeschluss, an dessen Zustandekommen die Gemeinden nicht beteiligt wurden, zu dessen Inhalten sie nicht einmal Stellung nehmen konnten. Und was sie vorschreibt, das hat weder mit einer empirisch grundierten Analyse zu tun noch mit geistlicher Orientierung. Wie das? Nun, die Ursachen für die Notwendigkeit zu Einsparungen liegen in der Säkularisierung, dem Verlust des Glaubens, zu dem die Kirche durch ihre Anpassung an den Zeitgeist maßgeblich beiträgt. Da anzusetzen, auf diese Idee ist sie leider nicht gekommen, Selbstkritik ist eben nicht ihre Sache, dazu ist sie schon viel zu sehr zeitgeistabhängig. Sonst würde ihr auch auffallen, dass ökonomische Lösungen (bessere Organisation, mehr Kooperation oder bloßes Sparen) zu kurz greifen. Nicht nur, dass die alte weltliche Weisheit, dass die Basis, dass die Gemeinden besser wissen, was vor Ort angepackt werden muss als der Wasserkopf zentralisierter Bürokratie, vergessen ist (ebenso wie die soziologische Binsenweisheit, dass Streichung von Pfarrstellen dem Glauben schadet, dass immer größere Einheiten – siehe die katholischen Riesengemeinden – den Verfall beschleunigen und dass Kooperation eher mehr Arbeit macht!) nein, auch die geistliche Weisheit scheint aus der Kirchenleitung ausgewandert zu sein. Wie hat Paulus es denn geschafft, ganz viele Gemeinden zu gründen – durch Sparen, Regionalisierung, Vorschriften zur Zwangskooperation? Ist es nicht eher so, dass der lebendige Glaube mit Hilfe des Heiligen Geistes sich die Institutionen zu seiner Stabilisierung und Verbreitung selbst schafft, statt durch solche Organisationsgschaftlhuberei stabilisiert zu werden oder gar zu wachsen? Und müsste die Kirche dann nicht – nach der Devise: first things first - genau hierfür ihre Kraft, ihre Ressourcen, ihr Gebet einsetzen: für die Stärkung des Glaubens (statt sich mit Nebensachen von eher tertiärer Wichtigkeit zu befassen wie nun mit der bei der Bezirksvisitation betonten Kooperation mit anderen Bezirken oder Landeskirchen – wo vor lauter Kooperationsbegeisterung die Inhalte glatt unter die Räder kommen? Belonging statt believing wird nicht helfen, schon gar nicht, wenn bei den Gläubigen keine Bezirksidentität existiert, sondern eher die Identifikation mit ihrer Gemeinde, ihrem Pfarrer, der aber leider bald wegrationalisiert wird?

Horst Fix, Königsbach-Stein