„Die Kirche voller Narren wie vor drei Jahren“
Fröhlich durfte der Narrengottesdienst am Sonntag in Emmendingen werden. Ernste Themen wurden aber nicht ausgespart.
Emmendingen Die Narren strömten in die Kirche, die hallte von den Klängen der Guggemusk „Erscht emol gugge“ wider und von lebhaftem Beifall: Zum dritten Mal fand in St. Bonifatius ein närrischer Gottesdienst statt. Im vergangenen Jahr war wegen der Pandemie die Zahl der Besucher noch beschränkt gewesen. Die Freude über das uneingeschränkte Miteinander war allen anzumerken, ebenso der Wunsch, fröhlich miteinander zu feiern. Ernstere Themen hatten gleichwohl ihren Platz – in den Fürbitten für Menschen, die von Krieg und Erdbeben betroffen sind, sowie beim Thema der Kollekte. Die teilen sich Tafelladen und Erdbebenopfer, für die Intre, der interreligiöse Trialog in Emmendingen, ebenfalls Hilfe organisiert und in allen Gotteshäusern – Kirchen, Moschee, Synagoge – um Spenden bittet.
Ein bisschen üben mussten die Narren ja erst noch mit dem Ajo und dem Uiuiui, stellte nicht nur Wilfried Klingberg in seinem alemannischen Prolog fest. Er freute sich über „die Kirche voller Narren wie vor drei Jahren“ – im vergangenen Jahr hatten nur 150 Gottesdienstbesucher mitfeiern dürfen, wegen der Pandemie. „Man hat nichts anderes gelesen, es gab kein anderes Thema mehr als Corona“ – bis vor einem Jahr der Ukraine-Krieg ausbrach: „In Wirklichkeit geht’s um die Macht, nur noch Brandherde, die Leute haben nur Gier und Profit im Kopf“, wetterte er.
Auch in den Fürbitten des Narresome spielte der Ukraine-Krieg eine Rolle, das Mitfühlen mit den Menschen dort sowie der Wunsch, diplomatische Wege nicht zu vergessen. Ebenso war das Erdbeben in Syrien und der Türkei ein Thema. In Anlehnung an das „Ich bin ein Berliner“ des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy sagte Gerhard Bürklin als „d’Bott“: „Wir sind alle Ukrainer, aber auch Türken und Syrer“, fügte er an. Bei dem Gottesdienst im vergangenen Jahr habe es schon Bauchweh gegeben wegen des Ukraine-Kriegs, sagte der Schuldekan und evangelische Pfarrer Christian Stahmann, aber der Gottesdienst habe auch Kraft gegeben. Gott stoße die Herrschenden vom Thron – und Narren seien der Spiegel einer anderen Welt.
Gereimt berichtete Stahmann von den Vorbereitungen. Mit dem „Ajo bi Gott“ habe er so seine Schwierigkeiten gehabt. Könnte „Obi Gott“ gemeint sein? Schließlich erscheint der Discounter ja oft als Wunscherfüller. „Darauf wär’ ich nie gekommen“, schmunzelte der katholische Pfarrer Herbert Rochlitz und erklärt: Ajo steht für die Fasnacht und bi Gott für den religiösen Teil. Denn Fasnacht und Religion gehören zusammen, früher gab es vom Ende der Narretei bis Ostern nicht viel. Und obwohl das viele heute nicht mehr so halten: „Nur Fasnet wäre ungesund, es lebt vom Rhythmus.“
Und was, wenn man den Titel des Gottesdienstes als „bigott“ spricht? Das sei eigentlich ein Schimpfwort der Aquitanier gegen die Normannen gewesen, erst später ein Ausdruck für frömmelnde Geister mit dem Anschein von Heiligkeit, dozierte Stahmann. Aber Jesus nenne nicht nur die Frommen seine Lieben, er gebe den Fremden und Kranken und habe ein Auge für Chaoten. Und ein bisschen Anarchie ist die Narretei ja schon. „Nicht jeder, der fromm tut, ist ein besserer Christ“, sagte Rochlitz dazu. Wichtig sei es, „bi Gott“ zu sein, ein stabiles Fundament zu haben – dann dürfe man auch mal Fehler machen. Und: „Lebt nicht vereinzelt, sondern zusammen.“
Wie bei diesem Gottesdienst in St. Bonifatius: Der schräge Guggemusikklang und die mal ganz anderen Orgelklänge passten perfekt, ebenso die tänzerischen Lieder und – als besonderer Höhepunkt – die Gesangsauftritte von Mona Golbach und ihrer Tochter Emilia. Wie gut, dass kräftiger Beifall bei diesem Gottesdienst erlaubt war.