„Es braucht Leidenschaft für die Einheit und Geduld“
Ökumene-Kardinal Koch über seine Erwartungen an das Weltkirchentreffen in Karlsruhe im Licht des Ukraine-Kriegs
Karlsruhe. Ökumene-Kurienkardinal Kurt Koch kommt als Chef der Vatikan-Delegation zum Weltkirchentreffen, das diesen Mittwoch in Karlsruhe beginnt. Der frühere Bischof von Basel sieht die Ökumene ins Stocken geraten. Der Papst sei mit Blick auf die deutschen Katholiken in Sorge, so der 72-Jährige (Foto: Angelika Warmuth/dpa) im Gespräch mit Dieter Klink.
Herr Kardinal Koch, die Beziehungen der katholischen Kirche zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) sind etwas kompliziert. Sie sind draußen, aber doch irgendwie dabei. Sind da Änderungen denkbar? Ein Beitritt etwa? Koch Unsere Beziehungen sind etwas dazwischen. Wir sind nicht Mitglied, aber es gibt eine intensive Zusammenarbeit mit dem Weltkirchenrat. Diese intensive Zusammenarbeit ist eine Form, die bisher beide Seiten als gut betrachten.
Es ist also nicht vorstellbar, dass Sie in Karlsruhe den Antrag auf Mitgliedschaft stellen?
Koch Das ist momentan nicht realistisch.
Momentan?
Koch Es gibt derzeit keine Diskussion darüber. Beide Seiten sind mit der jetzigen Form zufrieden. Wir haben eine Gemeinsame Arbeitsgruppe, wir sind Mitglied in der wichtigen Kommission „Faith and Order“ und es gibt eine vielfältige Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten.
Das Verhältnis zur russischen Orthodoxie ist derzeit getrübt. Wie stark ist es belastet?
Koch Es gibt eine doppelte Belastung. Die eine geht schon weiter zurück. Die orthodoxen Kirchen haben entschieden, dass der theologische Dialog mit der katholischen Kirche nicht bilateral, sondern multilateral geführt wird. Wir haben daher eine Gemischte Internationale Kommission dafür. An dieser nimmt das russisch-orthodoxe Patriarchat nicht mehr teil, nachdem der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel gegen den Widerstand des russisch-orthodoxen Patriarchats die Unabhängigkeit der orthodoxen Kirche in der Ukraine verliehen hat. Moskau nimmt also an einer Kommission, die von einem Vertreter von Konstantinopel co-präsidiert wird, nicht mehr teil. Das ist das eine.
Und das andere?
Koch Die unterschiedliche Sicht auf den Ukraine-Krieg. Der Papst sagt, der Krieg ist keine Lösung und führt nur zu mehr Problemen. Er muss beendet werden. Und auf der anderen Seite haben wir die Unterstützung dieses Krieges durch den Patriarchen .
In der Ökumene gibt es auch sonst einige Knackpunkte – Abendmahl/Eucharistie, Ämterverständnis, Papstamt. Kann die katholische Kirche Positionen räumen, die der Einheit im Weg stehen? Oder müssen erst vorher alle katholisch werden?
Koch Von keiner Kirche wird verlangt, dass sie etwas aufgeben muss, was zu ihrer Identität gehört. Es geht in der Ökumene nicht um politische Kompromisse, sondern darum, so lange miteinander zu ringen, bis man neu entdeckt, was uns gemeinsam ist. Deshalb kann von den anderen nicht erwartet werden, dass sie katholisch werden. Es kann aber auch nicht erwartet werden, dass wir evangelisch werden.
Wenn keine Kirche ihre charakteristische Gabe aufgeben soll, dann wird es Einheit als Organisation nie geben?
Koch Ein wesentlicher Schritt konnte getan werden in Augsburg 1999 mit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, dem strittigsten Punkt in der Reformationszeit. In intensiven Gesprächen hat man wiederentdeckt, dass wir bei dieser Frage einander viel näher sind, als es bisher in der Geschichte schien. Es geht eben nicht darum, etwas Wichtiges aufzugeben, sondern gemeinsam eine neue Sicht zu finden.
1999 ist lange her.
Koch Es muss weitergehen. Ich habe beispielsweise vorgeschlagen, dass wir auf eine gemeinsame Erklärung über Kirche, Eucharistie und Amt zugehen sollten. Dies wäre gewiss ein weiterer bedeutsamer Schritt auf die Einheit hin.
Kann das in Karlsruhe verabschiedet werden oder muss das noch weitere Jahre reifen?
Koch Dies braucht Zeit. Zudem geht es in Karlsruhe nicht allein um die katholisch-evangelischen Beziehungen. Da ist vielmehr die ganze Weltökumene präsent, in der oft andere Fragen und Akzente als in Deutschland im Vordergrund stehen.
Dennoch, Herr Kardinal, haben viele den Eindruck: Die Menschen sind in der Ökumene schon weiter als die Theologen. Viele verlieren die Geduld. Haben Sie dafür Verständnis?
Koch Ich nehme „die Menschen“ nicht so einheitlich wahr, wie Sie offensichtlich meinen. Zudem: Zur Ökumene gehören nun einmal zwei Tugenden: Leidenschaft für die Einheit und Geduld. Beide Tugenden gehören zusammen.
Wie ist das Deutschlandbild im Vatikan denn? Die Katholiken sind halb evangelisch, denen kann man nicht ganz trauen?
Koch Papst Franziskus hat zum Ausdruck gebracht, dass er im Blick auf den Synodalen Weg in Sorge ist. Er äußert sich dabei sehr wohl informiert, zumal er immer wieder Repräsentanten der katholischen Kirche in Deutschland in Audienz empfängt .
Dass die deutsche Kirche einen Sonderweg geht?
Koch: Papst Franziskus hat vor einigen Jahren einen langen Brief an das „Volk Gottes in Deutschland“ geschrieben, den er persönlich verfasst hat. Denn das Original ist Spanisch. Er hat aber bis heute nicht den Eindruck, dass die in ihm geäußerten Sorgen in Deutschland wirklich ernst genommen werden.
Wie werden Sie sich persönlich in Karlsruhe einbringen?
Koch: In Karlsruhe ist es zunächst meine Aufgabe, bei der Eröffnung der Vollversammlung die Botschaft des Papstes zu überbringen. Dann werde ich sehen, bei welchen Veranstaltungen des umfangreichen Programms ich teilnehmen werde.
Als ehemaliger Bischof von Basel ist Ihnen Baden sicher noch vertraut. Wie blicken Sie auf den Nachbarn?
Koch Ich erinnere mich gerne an die Treffen, die ich mit den Amtskollegen in Freiburg und Straßburg haben durfte. Wir sind uns ein- oder zweimal im Jahr begegnet, abwechselnd in Freiburg, Straßburg und Basel. Es waren immer sehr fruchtbare Begegnungen. Von Freiburger Seite dabei waren anfangs Erzbischof Oskar Saier und dann Erzbischof Zollitsch.